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Thilo Sarrazin

© dpa

Finanzsenator: Wer wird Sarrazins Nachfolger?

Sicher ist, dass Thilo Sarrazin im Mai zur Bundesbank nach Frankfurt am Main wechselt. Unklar ist dagegen noch, wer ihm im Amt des Berliner Finanzsenators folgen wird. Welche Namen werden gehandelt?

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sucht unentwegt, aber mit äußerster Diskretion, quer durch Deutschland nach einem Nachfolger für den scheidenden Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Seit 2006 werden auch in Berlin die Regierungsmitglieder nicht mehr vom Landesparlament gewählt, sondern vom Regierungschef ernannt. Deshalb muss Wowereit bei seiner Auswahl auf die speziellen Wünsche der Koalitionsfraktionen SPD und Linke nur noch eingeschränkt Rücksicht nehmen. Klar ist bisher nur: Der künftige Finanzsenator (oder die Senatorin) soll über die Abgeordnetenhauswahl 2011 hinaus zur Verfügung stehen, relativ jung sein, aber finanzpolitisch versiert und erfahren im Umgang mit der öffentlichen Verwaltung. Außerdem sozialpolitisch einigermaßen sensibel, denn das war nicht Sarrazins starke Seite. Und mit dem SPD-Parteibuch in der Tasche. Sarrazin selbst hat eine klare Vorstellung davon, was sein Nachfolger können sollte: „Er muss Freude an Zahlen haben und keine Angst vorm Streit.“ Eingeweiht in die Suche sind bisher nur der SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller – und Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) wird offenbar regelmäßig konsultiert.

Wowereit: "Nahtloser Übergang"

Die Geheimnistuerei Wowereits führt dazu, dass seit Wochen über die Sarrazin-Erben wild spekuliert wird. Der Regierende ließ auch nach einer Senatssitzung am Dienstag offen, wann er seinen Kandidaten, oder eine Kandidatin, öffentlich präsentieren wird. Bis zum 1. Mai, dann geht Sarrazin zur Notenbank nach Frankfurt am Main, sei noch viel Zeit. „Es gibt selbstverständlich einen nahtlosen Übergang“, sagte er. In der engeren Auswahl ist offenbar Hubert Schulte (57), derzeit Senatskanzleichef in Bremen und von 2003 bis 2005 Finanzstaatssekretär in Berlin. Bei einem Wahlsieg der Hamburger SPD 2008 wäre der gebürtige Westfale in der Hansestadt Finanzsenator geworden. Schulte ist ein – auch menschlich – sehr geschätzter Haushaltsexperte und Verwaltungsreformer. Auf ihn will Wowereit aber wohl nur zurückgreifen, wenn die laufenden Gespräche mit angeblich „sehr interessanten“ Kandidaten ohne Erfolg bleiben sollten.

Als Notlösung stünde der Berliner Finanzstaatssekretär Klaus Teichert (54) bereit. Der ehrgeizige Mann aus Flensburg gilt als exzellenter Finanzexperte, der in privaten und öffentlichen Unternehmen seit den achtziger Jahren berufliche Erfahrungen gesammelt hat. Ein beinharter Unterhändler, wenig geschmeidig im persönlichen Umgang, und den eigenen Genossen ist er zu unpolitisch. Aber Sarrazin konnte sich auf seinen Staatssekretär stets verlassen, er hielt ihm bis heute den Rücken frei.

Virtuelle Anwärter

Zwei weitere Kandidaten wurden immer wieder genannt. Trotzdem blieben sie virtuelle Anwärter für das Amt des Finanzsenators. Das gilt zum einen für den Ex-Schatzmeister der Hamburger SPD, Harald Christ (37). Der Millionär, Unternehmer und ehemaliger Banker, versucht seit einiger Zeit, in Berlin politisch Fuß zu fassen. Aber er sagt selbst von sich: „Ich bin nicht angesprochen worden und habe mich nicht beworben.“ Das gilt auch für Jörg Asmussen (42), Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, wie Teichert ein gebürtiger Flensburger. Ein Ministeriumssprecher dementierte am Dienstag. Entsprechende Zeitungsberichte seien frei erfunden, weder habe es Nachfragen aus dem Berliner Senat gegeben, noch sei Asmussen interessiert. Da Bundesfinanzminister Peer Steinbrück den Genossen in Berlin inzwischen deutlich gemacht hat, dass er seine Staatssekretäre allesamt nicht missen will, scheidet wohl auch Werner Gatzer (50) aus, zuständig für die Haushaltspolitik im Finanzministerium.

Angeblich schaut sich Wowereit nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern um. Viele SPD-Finanzpolitiker lassen sich dort momentan nicht finden. Potenziell in Frage kämen Jens Bullerjahn (46), Finanzminister in Sachsen-Anhalt und Mitglied des SPD-Bundesvorstands. Oder Rainer Speer (49), der Amtskollege aus Brandenburg. Der politisch starke Mann an der Seite des Ministerpräsidenten Matthias Platzeck, der ihn, so hört man, aber nicht ziehen lassen würde. Speer wäre auch bei seinen Berliner Genossen als Kandidat umstritten. Der ehemalige Bremer Finanzsenator Ulrich Nußbaum (51 ) wiederum hat sich als Dozent für europäisches Wirtschaftsrecht in den Schoß der Wissenschaft zurückgezogen.

Nachfolgerinnen werden bislang nur vereinzelt gehandelt

Wiederholt genannt wurde die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer. Allerdings hat Wowereit dem Vernehmen nach nie ernsthaft erwogen, der Parteifreundin die Berliner Finanzen zu überlassen. Rein theoretisch könnte Wowereit Christiane Krajewski (60) zurückholen, die unmittelbare Vorgängerin Sarrazins und frühere Finanzministerin des Saarlands. Seit 2003 ist sie Bankerin in Frankfurt am Main. Sie galt in Berlin als kompetent und durchsetzungsfähig, mit starken Antennen für die Sozial- und Familienpolitik. Aber ob sich Krajewski den Job noch einmal antun möchte, ist fraglich.
Wowereit amüsiert sich bisher demonstrativ über die mediale Suche nach einem neuen Finanzsenator. Er würde es selbst als großen sportlichen Erfolg betrachten, seinen neuen Mann – oder die neue Frau – bis auf den letzten Drücker geheim halten zu können. Als er im Jahr 2006 Jürgen Zöllner aus Rheinland-Pfalz als Bildungssenator in die Hauptstadt holte, war ihm das gelungen – und er freute sich diebisch darüber.

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