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Flughafen Tempelhof: Gefahr der Bruchlandung

Das Volksbegehren zum Flughafen Tempelhof soll vorgezogen werden. Möglicher Grund: Der rot-rote Senat wird angesichts der erfolgreichen Kampagne gegen die Schließung des Flughafens nervös - die Emotionen, die die Berliner in der Initiative zeigen, entfalten ihre politische Wucht.

Wenn der Flughafen Tempelhof eine Zukunft hat, dann hat Berlins rot-roter Senat keine mehr. So einfach ist die politische Gleichung. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit wird sich dessen bewusst gewesen sein, als er am Sonntag den Traditionsflughafen besuchte. Nein, fliegen wollte er nicht, das vermeidet er seit langem. Das käme nicht gut an. Schließlich will Wowereit den Airport im Herbst schließen. Der Regierende war Gast der Fashion Week, die in der Abflughalle Mode präsentierte.

Tempelhof – das geht nun alle Berliner an. Nachdem das Volksbegehren die nötigen 170 000 Unterstützer nahezu zusammen hat, soll es möglichst rasch, schon im Mai, zum Volksentscheid über die Zukunft des Zentralflughafens kommen. Man könnte daraus schließen, dass der rot-rote Senat doch nervös wird. Monatelang hatte man die Bürgerinitiative und die CDU, die den Zentralflughafen weiterbetreiben möchten, abschätzig behandelt . Und immerhin brauchte es die geballte Medienmacht des Springer-Verlags, um die anfangs ziemlich rumpelnde Kampagne zum Erfolg zu machen.

West gegen Ost, Vernunft gegen Emotion, Vergangenheit gegen Zukunft – so ließe sich dieser Konflikt lesen, der unversehens diesen Senat noch vor der Mitte seiner Amtszeit zur Wahl stellt. Geografisch finden sich die Unterstützer im alten West-Berlin, für das Tempelhof die Rettungsleine der Westbindung war, während die Ost-Berliner der Kampagne fern stehen. Mit der Realität hat das nostalgische Moment wenig zu tun; der Flughafen ist seit langem ein Verlustbringer und kein Aufschwungfaktor für die Stadt. Vor allem aber ist seine Schließung Voraussetzung für den Betrieb des neuen Großflughafens BBI in Schönefeld. Auch wenn die Tempelhoffreunde und auch die Berliner CDU raunen, man könne Tempelhof, wenn man nur wolle, über den Eröffnungstermin Ende 2011 hinaus offen halten – alle höchstrichterlichen Entscheidungen stehen dem entgegen: Wer Tempelhof offen halten will, der gefährdet BBI.

Aber all diese Argumente spielen erkennbar für viele Menschen eine geringe Rolle. Das ist das Verblüffende, und genau deswegen wird der Volksentscheid zu einer Momentaufnahme einer irritierten, gespaltenen Hauptstadt. Da hebt Klaus Wowereit beständig die Zukunftschancen für die Region durch den Großflughafen hervor. Das ist eine kühle Kalkulation. Ausgerechnet der Regierende Bürgermeister, der authentisch und mit praktizierter Lebensfreude das neue Berlin verkörpert, scheint aber vergessen zu haben, dass Emotion politische Wucht entfachen kann. Hier geht es vielen um die Identität Berlins. Wann je hat sich einer dafür eingesetzt? Auch deshalb scheut sich CDU-Oppositionsführer Friedbert Pflüger nicht, mit der vollen Unterstützung seiner Partei für Tempelhof auch den Blick zurück zu betonen. Sollte Wowereit der politische Instinkt verlassen haben? Nicht Notwendigkeit, sondern Eigensinn diktiert ihm, Tempelhof nicht zumindest bis zur Öffnung von Schönefeld offen zu halten. Das spüren die Berliner. Zumal kaum jemand daran glaubt, dass der Großflughafen pünktlich 2011 fertig ist. Zu gut erinnern sich die Berliner an die Bauskandale der Vergangenheit, an Kostenexplosionen oder unendliche Bauzeiten.

Aus der Skepsis der Berliner kann unverhofft ein politisches Momentum werden, darauf setzt Pflüger. Er muss im Kampf für Tempelhof beweisen, ob die lange gebeutelte Union in Berlin wieder kampagnenfähig ist. Um Tempelhof kann es darum der CDU nicht allein gehen; sie will eine Abstimmung über die Politik des rot-roten Senats. Nur so werden die nötigen 600 000 Stimmen zusammenkommen. Plötzlich könnte der Senat, der keine Nachnutzungsidee für den Flughafen Tempelhof hat, als trotzig werkelnd dastehen, ohne Gefühl für die Seele der Stadt. Seinen Blick, erklärte Wowereit vor der vergangenen Wahl, wolle er künftig mehr auf die ferne Bundespolitik richten. Nun könnte ihn der nahe Volksentscheid ins Trudeln bringen. Kommen die Stimmen zusammen, kann der Senat das nicht mehr ignorieren, auch wenn der Volksentscheid nicht bindend ist. Dann erleben nicht nur Berlins Flughafenpläne eine Bruchlandung, sondern flugs auch Wowereits Ambitionen.

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