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Fraktionsklausur: SPD bereitet Zehn-Jahres-Plan vor

Mit einer Fraktionsklausur und Hauptstadtkonferenzen versuchen die gebeutelten Sozialdemokraten den Neustart.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Zurück zu den Wurzeln. Wenn die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus am 22. Januar nach Eisenach reist, werden die Genossen selbstverständlich den „Goldenen Löwen“ aufsuchen. In der früheren Gaststätte wurde 1869 die Sozialdemokratische Arbeiterpartei gegründet. Und 120 Jahre später die Sozialdemokratische Partei in der DDR. Angesichts der katastrophalen Lage, in der sich die SPD derzeit befindet, könnte die Rückschau auf die große Parteigeschichte so manchem Berliner SPD-Mitglied die Tränen in die Augen treiben.

Die traditionelle Jahresklausur der SPD-Fraktion soll aber nicht nur Trauerarbeit leisten. Der Landes- und Fraktionschef Michael Müller will die eigenen Leute, einschließlich des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, zu neuen Taten antreiben. Jetzt oder nie. Im neuen Jahr muss der Neustart gelingen, sonst können die Berliner Wahlen 2011 für die Erben August Bebels in die Hose gehen. In dieser Einschätzung ist sich der SPD-Landesverband einig.

Michael Arndt, der in Steglitz-Zehlendorf den zweitgrößten Kreisverband der Berliner Sozialdemokraten führt, warnte die Genossen vor „schlafwandlerischen Träumereien“, die ins politische Abseits führen könnten. Der 60-prozentige Linksblock in Berlin (aus SPD, Linken und Grünen) sei keine Garantie für die Regierungsmacht, zumal sich dieser Block seit der Bundestagswahl auf drei gleich große Parteien verteile, so Arndt. Und er verwies auf das Jamaika-Bündnis im Saarland – als Alternative zu Rot-Rot-Grün. Eigene Projekte seien nötig, um Stärke und Gestaltungskraft zu beweisen. Die Berliner SPD werde jedenfalls nicht dafür gebraucht, „die Rücksitze der Dienstwagen des Landes warm zu halten“.

Ein schönes neues Projekt hat bereits einen Namen: „Die solidarische Stadt.“ Unter diesem Motto steht die Fraktionsklausur in Eisenach, aber auch eine Reihe von Hauptstadtkonferenzen, die mit bundesweiter, vielleicht sogar mit internationaler Beteiligung Ende Februar starten. Die Themen: Neue Industrien und Klimaschutz, Mieten- und Sozialpolitik, Integration und die Rolle öffentlicher Versorgungsunternehmen. Diese Konferenzen – unter Beteiligung externer Fachleute – sollen in ein Wahlprogramm für 2011 münden, mit dem die Berliner SPD die politische Meinungsführerschaft und enttäuschte Wähler zurückerobern will.

Der Anspruch, den Müller formuliert, ist wenig bescheiden: Die SPD wolle über 2011 hinaus auch „im dritten Jahrzehnt nach der Wende die gestaltende Kraft in Berlin sein“. Als Ansprechpartner für die Stadtgesellschaft, als Scharnier zwischen engagierter Bürgerschaft und parlamentarischem, administrativem Handeln. Wohlwollend haben die Genossen zur Kenntnis genommen, dass sich auch ihr Spitzenmann Wowereit zum Jahresende veranlasst sah, alte und neue Ziele zu formulieren: bezahlbare Mieten, Gesundheitsvorsorge für alle, würdevolles Altern und gute Bildung, Integration und sozialer Zusammenhalt.

Das ist nicht wenig – und die Regierungsfraktion wird sich in dreitägiger Klausur entscheiden müssen, eine brauchbare Jahresplanung auf die Reihe zu bringen oder sich flügelschlagend aufzureiben. So ist der innerparteiliche Streit, ob die Senatorin Ingeborg Junge-Reyer bis 2011 im Amt bleiben soll, nicht beendet. Und die Gefahr geheimer Abstimmungen im Parlament, die für die Koalition verloren gehen, scheint nicht gebannt. Wer mit dem Feuer spiele, wurden die SPD-Abgeordneten von oberer Stelle ermahnt, könne ja gleich für vorgezogene Neuwahlen stimmen.

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