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Hoher Besuch. Auch Klaus Wowereit war schon im Stadion von Union.

© dpa

Freikarten: Berliner Fraktionen stoppen Vergabe der VIP-Tickets

Das Verbot der Spendenannahme für Abgeordnete gilt laut Gutachten für viele Freikarten. Nun diskutiert das Berliner Landesparlament über eine gesetzliche Neuregelung.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ein Rechtsgutachten des Abgeordnetenhauses wirft ein neues Licht auf die Frage, ob Berlins Volksvertreter kostenlose Eintrittskarten für Sport- oder Kulturveranstaltungen annehmen dürfen. Der Wissenschaftliche Dienst des Parlaments kommt in einem vertraulichen Papier, das dem Tagesspiegel nun vorliegt, zum Ergebnis: Die Annahme solcher Freikarten verstößt in bestimmten Fällen gegen das Spendenannahmeverbot im Parteien- und im Landesabgeordnetengesetz. Als sie dies erfuhren, stoppten SPD, CDU und Grüne die Verteilung von Gratistickets.

Die Parlamentsjuristen stellten zudem fest, dass jede Freikarte versteuert werden müsse, weil sie für die Begünstigten einen Wertzuwachs bedeute. Nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen, „zum Beispiel wenn die Teilnahme an einer Sportveranstaltung zwingende berufliche Gründe hat“, entfalle die Steuerpflicht. Strafrechtlich relevant sei die Annahme von Freikarten nicht, steht im Gutachten. Um Bestechlichkeit und Vorteilsannahme handele es sich nicht, weil Abgeordnete keine Amtsträger seien. Für eine Abgeordnetenbestechung müsse ein Stimmenkauf nachgewiesen werden.

Der Wissenschaftliche Dienst weist auf den niedersächsischen Landtag hin, der 2010 eine klare gesetzliche Regelung traf. Freikarten für Veranstaltungen dürfen nur angenommen werden, „wenn die Teilnahme der Ausübung des Mandats dient oder der Abgeordnete damit einer repräsentativen Verpflichtung nachkommt“. Das Berliner Gutachten lässt hingegen noch Fragen offen, weil es einen Spezialfall bewertet. Der 1. FC Union wollte, wie es Hertha BSC seit vielen Jahren praktiziert, ebenfalls Gratistickets an Abgeordnete verteilen. Weil Union gemeinnützig ist, fallen deren Freikarten unter das Spendenannahmeverbot des Parteiengesetzes. Zwar ist auch Hertha ein gemeinnütziger Verein, aber die unternehmerisch ausgegliederte Profiabteilung, zu der auch das Fußball-Erstligateam gehört, ist es nicht. Nicht untersucht wurde, ob landeseigene oder öffentlich bezuschusste Theater, Opern oder Orchester ebenfalls unter das Freikartenverbot fallen.

Offenbar dämmert den Fraktionen eine Erkenntnis.

Das Gutachten wurde Mitte Januar im Ältestenrat des Parlaments verteilt. „Wir haben daraufhin bis zu einer abschließenden rechtlichen Klärung die Verteilung von Freikarten sofort eingestellt“, sagte der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Torsten Schneider am Montag. Sein CDU-Amtskollege Heiko Melzer versicherte ebenfalls, dass „die CDU keine Freikarten mehr abfordert und weitergibt und den Fraktionsmitgliedern empfiehlt, mit anderen Tickets, die sie persönlich erhalten, genauso zu verfahren“. Auch die Grünen üben bis auf Weiteres Verzicht, teilte Fraktionschefin Ramona Pop mit. Bisher seien kostenlose Eintrittskarten lediglich für „repräsentative und fachpolitische Zwecke“ genutzt worden.

Katrin Lompscher, Vizechefin der Linksfraktion, versicherte ebenfalls, dass Freikarten immer nur für „die politische Repräsentation“ oder „dienstliche Zwecke“ an die Kultur-, Sport- und Haushaltsexperten verteilt worden seien. Auf Tickets der Philharmoniker werde seit langem generell verzichtet. „Ich selbst habe als Senatorin zwar Karten angenommen, aber jedes Mal aus der eigenen Tasche bezahlt“, sagte Lompscher. Die Piraten haben sich, wie berichtet, darauf verständigt, Freikarten für Hertha BSC und die Philharmoniker nicht anzunehmen.

Nun dämmert es offenbar allen Fraktionen, dass individuelle Lösungen eine rechtlich einwandfreie Position nicht ersetzen können. Das Problem müsse noch einmal „umfassend juristisch geprüft“ werden, sagt Schneider. Auch die CDU-Fraktion wolle ein „klares, transparentes Verfahren“, sagte Melzer. Ramona Pop schlug vor, eine Kommission einzusetzen, die gesetzliche Neuregelungen erarbeitet.

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