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Frust und Gewalt: Politik lässt die Schulen allein

Entgegen allen Ankündigungen wird seit Jahren am Schulpersonal in Berlin gespart. Für 4500 Schüler steht ein Psychologe zur Verfügung.

Trotz Rütli-Schocks und massiv steigender Gewaltvorfälle an Schulen – bei der Prävention und Intervention wird nicht investiert, sondern seit Jahren gespart. So müssen sich in Berlin müssen sich 4500 Schüler einen Schulpsychologen teilen, Sozialpädagogen gibt es nur an jeder achten Schule und um die wenigen Schulstationen bangen die Schulen von Haushaltsberatung zu Haushaltsberatung. Opposition, Gewerkschaften und Migrantenverbände verlangen eine Abkehr von dieser Linie, aber der Senat hält sich zurück und stellt lediglich einen „Einstieg“ in die flächendeckende Ausstattung mit Sozialarbeitern in Aussicht.

„In Schweden gibt es an jeder Schule Sozialarbeiter und Therapeuten und einen Psychologen für 400 Schüler“, rechnet die GEW-Vorsitzende Rose-Marie Seggelke vor. In Berlin dagegen habe es immer wieder Kürzungswellen gegeben, denen gute Ansätze zum Opfer gefallen seien. Letztlich seien die Lehrer mit den wachsenden Problemen an den Schulen allein gelassen worden.

Was das in der Praxis bedeutet, konnte man in den vergangenen Jahren in allen Schulformen beobachten. So bekamen die Hauptschulen trotz ihrer großen Probleme erst vor einem Jahr Sozialarbeiter zugewiesen – und zwar noch nicht einmal aus dem regulären Haushalt, sondern aus befristeten EU-Mitteln. Auch Grundschulen in sozialen Brennpunkten mussten immer wieder um ihre Helfer bangen: Vor einem Jahr etwa verlor die Moabiter Gotzkowsky-Grundschule ihre Schulstation, obwohl Eltern und Lehrer übereinstimmend feststellten, dass die Gewaltvorfälle dank der kompetenten Fachkräfte rückläufig waren.

Besonders brisant: Die türkisch-stämmige Erzieherin, der es endlich gelungen war, einen Zugang zu den Migrantenfamilien zu bekommen, musste gehen. Zur Begründung hieß es seitens des Bezirks, andere Grundschulen seien noch bedürftiger, weil sie nicht 65, sondern 90 Prozent Migranten hätten. Insgesamt „überlebten“ rund 50 Schulstationen.

Makaber waren die Umstände, unter denen im letzten Augenblick die Schulstationen in Steglitz-Zehlendorf gerettet werden konnten: Gerade während der Etatverhandlungen im Jahr 2005 ereignete sich der Mord an dem kleinen Christian. Zuvor hatten sich einige Bezirksverordnete noch gefagt, warum ausgerechnet ihr Heile-Welt-Bezirk die komfortabelste Ausstattung mit Schulstationen vorhalten sollte. Wie hilfreich selbst in sozial stabilen Bezirken Schulstationen sein können, macht das Beispiel des Zehlendorfer Droste-Hülshoff-Gymnasiums deutlich. Direktor Knut Bialecki zitiert aus der Statistik des letzten Schuljahres: 760 Mal haben sich Eltern oder Lehrer an die Schulstation gewandt, 47 Mal wurde interveniert wegen Schwänzerei oder Gewaltdelikten, neun Mal wegen akuter Krisen wie Suizidabsicht, 919 Mal gab es eine sozialpädagogische Einzelförderung, darüber hinaus wurden Fahrten, Workshops und Seminare organisiert.

Während Bialecki eher das Problem von „Wohlstandsverwahrlosung“ hat, weil die Eltern zwar Geld haben, aber keine Zeit für ihre Kinder, kämpft die Mehrheit der Schulen gegen Bildungsferne und Armut. Jedes dritte Schulkind stammt aus Elternhäusern, die nicht genug Geld haben, um Schulbücher zu kaufen. Hinzukommen Sprach- und Integrationsprobleme. Der Türkische Elternverein fordert angesicht der prekären Situation Sozialarbeiter „mit interkultureller Kompetenz“ an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen.

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