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Grüne Spitzenkandidatin: Künast kommt bei Frauen nicht mehr an

Die Grünen-Spitzenkandidatin setzt stark auf Konfrontation. Das schreckt Wählerinnen offenbar ab. Klaus Wowereit kann dagegen bei der weiblichen Wählerschaft mit seinem Image als "sozialer Typ" punkten.

Von Sabine Beikler

Bei Männern kommt Renate Künast gut an. Peter Eigen zum Beispiel, Transparency-Gründer und Ehemann der Sozialdemokratin Gesine Schwan, sagte am Rande einer Veranstaltung, er sei ein „großer Freund und Bewunderer“ von Künast. Sie habe „das Zeug“ zu regieren. Der Meinung sind Frauen offenbar nicht. Laut aktueller Umfrage von Infratest dimap würden bei einer Direktwahl nur noch 24 Prozent der Wählerinnen für Künast, 64 Prozent aber für Wowereit stimmen. Im Oktober 2010 sah das noch anders aus. Damals lag Künast in der Wählerinnengunst mit 41 Prozent nur einen Prozentpunkt hinter Wowereit. Warum sie glaube, dass der SPD-Spitzenkandidat generell besser bei den Wählern ankomme, beantwortete Künast einmal mit den Worten, Wowereit sei ein charmanter Mann, bei ihr müsse man zweimal hinschauen, „bis man es sieht“. Aber ist Charme für Frauen wahlentscheidend?

Vorweg: Eine einfache Erklärung, warum Künast wenig Sympathien bei Frauen hat, gibt es nicht. Die Grünen-Politikerin wirkt oft knorrig, verkrampft, distanziert. Sie setzt auf Konfrontation. Sie ist kein Typ wie Wowereit, der im Tierpark ein chinesisches Faltenschwein streichelt und dabei lächelt. Er hat Herz mit Schnauze. Künast hat die Schnauze, Herz zeigt sie weniger. „Künast ist nach außen so wie nach innen. Sie ist spröde, sie ist ehrlich. Sie ist, wie sie ist“, sagt Künasts Parteifreundin und Stadträtin Sibyll Klotz. Tough, durchsetzungsstark und zielstrebig sei Künast, sagt Fraktionschefin Ramona Pop. „Und sie kann humorvoll sein.“ Das kann sie – in kleiner Runde.

Dass Künast ein Alphatier ist, gehört für Katja von der Bey zur Kandidatur. „Künast ist ein Machtmensch. Aber so muss man sein, wenn man an der Regierung ist oder da hin will“, sagt die Geschäftsführerin der Genossenschaft „Weiberwirtschaft“, in der 1650 Unternehmerinnen organisiert sind. Dass Künast keine weiblichen Klischees bediene, sei erfreulich, sagt von der Bey. „Wir finden es gut, dass in Berlin eine Kandidatin für das Bürgermeisteramt antritt.“

Wofür Frauen die Grünen-Kandidatin schätzen, lesen Sie auf Seite 2.

Frauen schätzen Künast als durchsetzungsstarke Frau. Trotzdem stößt sie die mangelnde Empathie ab. Peter Walschburger ist Biopsychologe an der Freien Universität und Experte für Geschlechterverhältnisse. Ein Biopsychologe erforscht die Doppelnatur des Menschen als Natur- und Kulturwesen. Stammesgeschichtlich, sagt Walschburger, tendiert die Frau zu nicht hierarchischen Formen des Zusammenlebens. Männer dagegen hätten einen „sehr einfachen, primitiven sozialen Strukturierungsprozess“ vollzogen. Simpel gesagt: Für sie zählt die Hackordnung, das verstehen sie. „Primitive Dominanz“ sagt Walschburger dazu.

Nun zu Künast. Durch ihre „sehr toughe Art“, sagt der Psychologieprofessor, hat sie ein Akzeptanzproblem bei Frauen. Eine ausgeprägt „wadenbeißerische“ und dominante Frau schrecke andere Frauen eher ab. Als Gegenbeispiel führt Walschburger die Bundeskanzlerin an. Angela Merkel sei auch Machtmensch. „Aber sie hat nach außen keine konfrontative, sondern eine moderierende Art.“ Dadurch wirke Merkel weiblicher als Künast.

Das Moderierende fehlt Künast. Sie kämpft. Gegen hohe Mieten, Bildungsdefizite, soziale Ungerechtigkeiten, gegen Wowereit. Das Wort Kampf ist ein stetiger Begriff. „Bei ihr steht das Machtmotiv deutlich im Mittelpunkt“, sagt Walschburger. Frauen seien jedoch „sozial integrativ“ veranlagt. Dieses Gefühl würden sie bei Künast vermissen. Da tritt Wowereit auf den Plan. Er sei der „soziale Typ“, eher Womanizer als Chauvi. Und als Homosexueller würde er Frauen gefühlsmäßig „auch nichts tun“, sagt Walschburger. Wowereit mache es Künast schwer, ihn mal eben als Macho-Mann abzuqualifizieren.

Künast wollte sich auf Anfrage nicht zu der Umfrage äußern. Richard Hilmer, Chef von Infratest dimap, sagt, auch „weiche Werte“ würden bei der Bewertung von Kandidaten einfließen. Wer kommt sympathischer rüber, gibt die bessere Figur ab, zeigt soziale Kompetenz? „Darin glänzt Wowereit“, sagt Hilmer. Diese Attribute würde man bei einem Regierungschef auch erwarten, nicht aber bei einem Minister. Das erkläre die positive Bewertung von Künast als Verbraucherschutzministerin und Bundespolitikerin. Ein Ministeramt traue man ihr durchaus zu. Als Kandidatin für ein Regierungsamt habe sie es dagegen schwer. Hinzu komme, so Hilmer, „dass es keinen Verdruss in Berlin über die Person Wowereit gibt“.

Das sieht Hartmut Gaßner, Rechtsanwalt und Mitbegründer der „Wahlinitiative – für Renate Künast!“, natürlich anders. Künast arbeite sachbezogener als Wowereit, der „nur auf unmittelbare Sympathien abhebt“. Sie dagegen sammele Pluspunkte über Einsatz und Inhalte. In der Endphase des Wahlkampfes müsse sie ihre Inhalte noch stärker zum Ausdruck bringen und Projekte benennen. Gaßner ist sich sicher, dass es in der „Alltagswahrnehmung“ viele Frauen gibt, die das Zupackende bei Künast gut finden.

Kann sie so die Gunst der Wählerinnen zurückgewinnen? 52 Prozent der 2,48 Millionen Wahlberechtigten in Berlin sind weiblich. FU-Parteienforscher Oskar Niedermayer will nicht spekulieren, warum Künast bei den Frauen schlecht ankommt. Er zielt auf den Inhalt des Wahlkampfs ab. „Das packende Gewinnerthema fehlt.“ Die Grünen müssten jetzt ein Thema so konkret wie möglich herausstellen, das den „grünen Markenkern berührt“. Künast habe eben kein Charisma, das zum Selbstläufer werde. Anders die SPD: Die punkte mit dem Zugpferd Wowereit, mache aber bis jetzt einen relativ inhaltsleeren Wahlkampf. Sabine Beikler

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