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Gymnasien: Opposition wettert gegen Schüler-Lotterie

Die Vorschläge des Bildungssenators Jürgen Zöllner für den Zugang zu Gymnasien und Sekundarschulen stößt in der Opposition auf heftige Kritik. Das Losverfahren laufe der Reform zuwider, meinen die Grünen.

Die am Dienstag von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) vorgeschlagenen Zugangskriterien zum Gymnasium und zur künftigen Sekundarschule haben am Mittwoch eine Welle der Kritik ausgelöst. Auf Ablehnung stieß sowohl bei der Opposition als auch beim Landeselternausschuss und den Schulleiterverbänden vor allem der Vorschlag, die Hälfte der Plätze an einem Gymnasium oder einer Sekundarschule zu verlosen, wenn die Zahl der Anmeldungen die Zahl der Plätze übersteigt. 50 Prozent der Schüler sollen die Direktoren dann selber aussuchen dürfen.

Daneben hat Zöllner folgende Neuerungen geplant: Der Elternwille soll ausschlaggebend bei der Schulwahl werden, das Wohnortprinzip wird abgeschafft, es gibt keine Bildungsgangempfehlung mehr. Allerdings sollen die Grundschulen eine schriftliche Einschätzung des Leistungsvermögens geben sowie mit den Eltern ein Beratungsgespräch führen. An den Gymnasien wird die Probezeit von einem halben auf ein Jahr verlängert. Einen NC fürs Gymnasium wird es nicht geben. Die Regelungen sollen zum Schuljahr 2010/2011 gelten. Die Linke als Koalitionspartner hat dem Konzept zugestimmt, die SPD braucht noch Bedenkzeit.

Nach Ansicht des schulpolitischen Sprechers der Bündnisgrünen, Özcan Mutlu, werde durch die Verlängerung der Probezeit und das Losverfahren „die ganze Schulreform ad absurdum geführt und die soziale Entmischung verstärkt“. Eine Gleichwertigkeit der Bildungsgänge sei nicht gegeben. Von einem „Frontalangriff auf die Qualität der Gymnasien“ sprachen die CDU-Bildungspolitiker Sascha Steuer und Katrin Schultze-Berndt. Nur die Hälfte der Kinder könne sich darauf verlassen, den gewünschten Platz zu erhalten, „die andere Hälfte wird der Beliebigkeit der Lotterie überantwortet“. „So wird es künftig sein, dass durch den Zufall des Loses eine Vielzahl von Kindern mit schlechteren Noten an das Gymnasium kommt, während die Leistungsstärkeren an die Sekundarschulen verwiesen werden“, sagten Steuer und Schultze-Berndt.

„Schüler-Lotto“ nannte Mieke Senftleben von der FDP das geplante Verfahren. Man könne nicht Fortuna über die Schullaufbahn der Kinder entscheiden lassen. Viele Eltern würden gegen eine Losentscheidung gerichtlich vorgehen. Senftleben befürwortet aber die Verlängerung der Probezeit und den Verzicht auf das Wohnortprinzip. „Endlich entscheiden die Eltern und nicht mehr die BVG, welche Schule ihr Kind besucht“, sagte Senftleben. Mit diesen beiden Punkten ist auch Landeselternsprecher André Schindler einverstanden. Aber der hohe Anteil der zu verlosenden Plätze bei zu starker Nachfrage mache auch die Bemühungen vieler Schulen um ein spezielles Profil zunichte. Das sehen viele Direktoren ebenso. Nicht mehr im Ansatz werde dabei geschaut, wie das Angebot der Schule zu den Begabungen eines Kindes passe, sagte Wolfgang Harnischfeger, Leiter des Beethoven-Gymnasiums in Lankwitz und Vorsitzender des GEW-Schulleiterverbandes, der ein Befürworter der Einführung eines Numerus Clausus fürs Gymnasium ist. Ralf Treptow von der Vereinigung der Oberstudiendirektoren befürchtet, dass künftig mehr Kinder ans Gymnasium kommen, die den Bedingungen nicht gewachsen sind. Die Quote derer, die das Probehalbjahr nicht bestehen und dann die Schule wechseln müssen, werde steigen. Scharfe Kritik kam auch aus den Gesamtschulen. Die Regelungen seien „nicht tragbar“, sagte Klaus Brunswicker, Direktor der Schöneberger Sophie-Scholl-Gesamtschule. Auch die Sekundarschulen könnten ihr Profil dann nicht richtig entwickeln. Wenn die Gymnasien künftig 50 Prozent der Schüler selber aussuchen könnten, werde die Creme der Schüler abgeschöpft, sagte Paul Schuknecht, Leiter der Friedensburg-Gesamtschule in Charlottenburg. Der Willkür sei „Tür und Tor geöffnet“. Da gebe es keine objektiven Kriterien. Besser wäre es gewesen, das Grundschulgutachten beizubehalten.

Positiver Zuspruch zu Zöllners Plänen war gestern selten. Der Direktor des John-Lennon-Gymnasiums in Mitte, Jochen Pfeifer, sieht jedoch in den Vorschlägen einen „Schritt in die richtige Richtung“. Dass bei zu vielen Bewerbungen die Hälfte der Plätze über ein Losverfahren vergeben wird, sei eben ein politischer Kompromiss. Er begrüße Zöllners Ankündigung, das ganze Verfahren nach einigen Jahren zu überprüfen. Wenn das Verfahren gut laufe, könne er sich vorstellen, dass dann der Anteil der Losplätze auch verringert wird und die Schulen weitere Entscheidungsmöglichkeiten haben.

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