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Hartz IV: Bundesagentur verzichtet auf Observation

Um die Art und Verhältnismäßigkeit des Kampfes gegen den Missbrauch von Hartz-IV-Mitteln ist ein Streit entbrannt. Anlass ist eine interne Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 20. Mai. Darin sind "Observationen" als Möglichkeit genannt, um Verdachtsfälle von "besonders schwerwiegendem Leistungsmissbrauchs" aufzuklären.

Auch Hausbesuche und die Kontrolle von Schränken seien zulässig – sofern der Empfänger der Transferleistung dem zustimmt. Auf massiven Widerstand des Erwerbslosenforums und der Initiative „Gegen Hartz IV“ hatten Bundesagentur und Bundesarbeitsministerium in einer gemeinsamen Erklärung am Donnerstag mitgeteilt, dass auf Observationen ganz verzichtet und die Maßnahme aus der Weisung gestrichen werde.

Für den Sprecher des Erwerbslosenforum ist das nur ein Teilerfolg: „Uns fehlt noch eine Erklärung, wonach Nachbarn und Kindern nicht ausgefragt werden dürfen“, sagte Martin Behrsing. Diese Möglichkeit wird in dem internen Papier ebenfalls ausdrücklich erwähnt. „Das ist aber nicht zulässig“, sagt Behrsig. Der Datenschutz der Betroffenen stehe über dem „Amtsermittlungsprinzip“.

Deutliche Kritik an den Vorkommnissen äußerte der Bundesdatenschutzbeauftrage Peter Schaar in einer Pressemitteilung. Die Bundesanstalt für Arbeit habe ihn über die neuen Regeln nicht informiert, teilte er mit.

Die Bundesagentur für Arbeit bestreitet, dass die kritisierten Regelungen neu seien. Der Aufbau eines Außendienstes zur Bekämpfung von Missbrauch sei gesetzlich vorgeschrieben. Außerdem bewegten sich alle Regeln im Rahmen des geltenden Rechts.

„Mir ist kein einziger Fall von Observation in Berlin bekannt, obwohl diese Maßnahme schon länger zulässig waren, wenn alle anderen Mittel erschöpft sind“, sagte Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin der Bundesagentur für Arbeit. Vor der Anhörung von Zeugen müssten die Mitarbeiter des Außendienstes den betroffenen Hartz-IV-Empfänger über diese Maßnahme in Kenntnis setzen. Außerdem schwärmten die zwei bis fünf „Außendienstler“ in jedem der zwölf Berliner Job-Center auch nur dann aus, wenn die Anträge eines Hartz-IV-Empfängers offenkundige Widersprüche enthielten und der Betroffene diese im Gespräch nicht selbst ausräumen könne.

„Wenn die Regeln zur Bekämpfung von Missbrauch konkretisiert werden, dann ist damit Prüfern und Leistungsempfängern gleichermaßen gedient“, sagt der Neuköllner Sozialstadtrat Michael Büge. Er sitzt im Aufsichtsgremium des Jobcenters seines Bezirks. Die meisten Prüfdienst-Mitarbeiter verfügten über langjährige Erfahrungen und Feingefühl genug, um die Leistungsempfänger nicht zu brüskieren. Bei Überprüfungen seien sie aber oft auf Zeugenbefragungen angewiesen, weil in Neukölln häufig nicht einmal die Namen der Bewohner auf den Klingelschildern stünden. Ralf Schönball

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