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© dpa

Hartz IV: Senat streitet über Job-Programm

Die Berliner Senatoren Bluhm und Nußbaum sind uneins, was der öffentliche Beschäftigungssektor wirklich kostet.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Arbeitssenatorin Carola Bluhm (Linke) und Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) sind sich nicht einig, wie teuer der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor (ÖBS) wirklich ist. Die Senatorin sagt: Das Programm bringe in Berlin 7500 Langzeitarbeitslose in eine gesellschaftlich sinnvolle Arbeit und koste Bund und Land nur 240 Euro pro Kopf monatlich mehr, als wenn die Arbeitslosigkeit über Hartz IV finanziert werde. Die Finanzverwaltung rechnet anders und kommt auf 1251 Euro monatlich je Stelle. Davon entfielen auf das Land Berlin 276 Euro, der große Rest auf den Bund.

Einig sind sich beide Verwaltungen, dass der Staat bis zu 737 Euro monatlich spart, wenn ein Hartz IV-Empfänger in Arbeit kommt. Denn der Regelsatz und die Kosten der Unterkunft fallen weg. Diesen Einsparungen stellt Bluhm 977 Euro gegenüber, die ein ÖBS-Beschäftigter jeden Monat erhält. Den Bruttoverdienst von 1300 Euro lässt sie als Vergleich nicht gelten, denn Steuern und Sozialausgaben flössen an den Staat zurück.

Die Finanzverwaltung sieht das anders. Jeder geförderte Langzeitarbeitslose koste die öffentliche Hand 1988 Euro. Das sei die Summe aus dem Bruttogehalt des Arbeitnehmers, der Arbeitgeberbeiträge und der Förderung des freien Trägers, der den Arbeitslosen beschäftige. Davon müsse man die eingesparten Hartz IV-Ausgaben abziehen und komme so auf den wahren Zuschuss von 1251 Euro monatlich. Das sei ein „sehr hoher Kostenfaktor“, der überprüft werden müsse, sagte Nußbaum am Montag.

Auch der SPD-Fraktionschef Michael Müller kritisierte, dass der ÖBS zu teuer und ineffektiv sei. Dieser Einwand bleibt aber vorerst folgenlos. Denn nicht nur bei der Linken, sondern auch in der SPD stößt Müllers Äußerung, dass fast 170 Millionen Euro für die Beschäftigung von 7500 Langzeitarbeitslosen zu viel seien, auf Unverständnis. „Ich weiß nicht, warum er jetzt ein Fass aufmacht“, sagt die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Burgunde Grosse. Sie will sich „mit ganzer Kraft“ dafür einsetzen, dass ihre Fraktion in Sachen ÖBS „keine Rolle rückwärts macht“. In der SPD-Fraktionssitzung zum Haushalt 2010/11 am heutigen Dienstag steht ÖBS auch nicht auf der Tagesordnung. Die SPD-Linke und Vize-Fraktionschefin Dilek Kolat bezeichnete die Kritik des Genossen Müller gestern als „Anregung“ und nicht als aktuellen Sparvorschlag.

Die öffentliche Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen wird aber spätestens dann zum Problem für Berlin, wenn Schwarz-Gelb im Bund „die Vielzahl der bestehenden Arbeitsmarktinstrumente deutlich reduziert“. So haben es Union und FDP im Koalitionsvertrag angekündigt. Sobald die hohen Bundeszuschüsse für ÖBS wegfallen, wird Rot-Rot nicht in der Lage sein, dies aus Landesmitteln auszugleichen. Dann gibt es nur die Alternative, das räumt auch die SPD-Frau Grosse ein, die Zahl der finanzierten Stellen von 7500 auf 2500 zu kürzen.

Das ÖBS-Programm bringt Langzeitarbeitslose, die in den Arbeitsmarkt kaum zu vermitteln sind, befristet in eine „gesellschaftlich sinnvolle und notwendige Arbeit“, wie es die Arbeitsverwaltung des Senats formuliert. Etwa als Fahrgastbetreuer, als Begleitservice für Senioren, in Bastelstuben für Kinder oder bei der Berliner Tafel. Die Geförderten, mehrheitlich Männer über 50 Jahre, erhalten mindestens 1300 Euro brutto monatlich, sind sozialversichert und werden mindestens zwei Jahre beschäftigt. Im laufenden Jahr gibt Berlin für ÖBS 59 Millionen Euro aus, der Bund steuert über 100 Millionen Euro hinzu. Wichtigste Geldquellen sind zwei Bundesprogramme: Der Beschäftigungszuschuss aus der „Job-Perspektive“ und der Kommunal-Kombi. 2010 stehen 74,6 Millionen Euro Landesmittel im Etat, 2011 weitere 62,7 Millionen Euro. Die Bundesmittel von über 100 Millionen Euro sind bis dahin noch gesichert.

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