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Wasser-Volksentscheid: Hausbesitzer und Ältere gaben den Ausschlag

In den Randbezirken war die Beteiligung am größten – und dort, wo viele SPD- und CDU-Wähler leben. Die Grünen konnten ihre Anhänger nicht mobilisieren. Und Hartz-IV-Empfänger stimmten kaum mit ab.

Von Sandra Dassler

Der Tag nach dem erfolgreichen Volksentscheid gehörte auch den Statistikern. Immerhin gab es einige Überraschungen: die geringe Wahlbeteiligung in den Hochburgen der Grünen beispielsweise. Oder dass die Stadt in Sachen Wasser nicht mehr in Ost und West geteilt ist. Eher in arm und reich. Oder in alt und jung. Vor allem aber in Haus- beziehungsweise Gartenbesitzer und Mieter ohne Grundstück, das bewässert werden muss.

BEZIRKE UND KIEZE

Berlinweit gab es die höchsten Wahlbeteiligungen, also auch Ja-Stimmen, in den Randbezirken wie Steglitz-Zehlendorf im Westen und Treptow-Köpenick im Osten. Die Mitarbeiter des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg führen dies vor allem darauf zurück, dass in diesen Gegenden die meisten Haus- und Grundstücksbesitzer leben, die sich vom Erfolg des Volksentscheids niedrigere Wasserpreise erhoffen. „Wassertisch“-Sprecher Thomas Rudek nannte außerdem als eine Ursache für den Erfolg in den Randbezirken die Mobilisierung der Kleingärtner. Die meisten Wähler (41,3 Prozent) kamen jedenfalls ins Abstimmungslokal 318 in Reinickendorf nahe Tegel-Ort und 40,4 Prozent zum Abstimmungslokal an den Kleingartenanlagen rund um den Flughafen Tegel. Gleichzeitig stimmten im selben Bezirk am Senftenberger Ring, also im sozial schwachen Märkischen Viertel nur 8,8 Prozent der Bevölkerung ab. Noch weniger (8,6 Prozent) waren es an der Grenzallee in Neukölln und an der Allee der Kosmonauten ( 7,9 Prozent) in Lichtenberg. Den Rekord im Osten hält ebenfalls eine Siedlung, in der es fast nur Einfamilienhäuser gibt: am Müggelheimer Damm stimmten 40 Prozent der Einwohner ab.

ALTE UND JUNGE

In Bezirken mit überdurchschnittlichem Alter war die Abstimmungsbeteiligung größer als anderswo, sagte die Präsidentin des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg, Ulrike Rockmann. Auch dieses Phänomen gilt sowohl für östliche wie auch für westliche Bezirke. „Manche ältere Menschen schleppten sich sogar auf Krücken zur Abstimmung“, erzählte ein Wahlbeobachter in der Athene-Grundschule in Lichterfelde-West. Und einigen von ihnen sei es nicht nur um die Wasserpreise, sondern auch um ein „Zeichen gegen die Arroganz der Macht“ gegangen. Diesen Grund sowie eine generelle Ablehnung der Privatisierung von Wasserbetrieben nannten auch viele der jungen Menschen, die wählen gingen. Sie wurden übrigens oft durch Aufrufe von Freunden im Internet, über Twitter oder Facebook zur Abstimmung motiviert.

ARME UND MIGRANTEN

In Gegenden, wo viele Hartz-IV-Empfänger wohnen, beteiligten sich weniger Berliner am Volksentscheid als anderswo. Auch in den Kiezen mit einem hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund blieb die Beteiligung gering.

WÄHLER UND NICHTWÄHLER

Dort, wo 2006 nur wenige Berliner die Mitglieder des Abgeordnetenhauses wählten, kamen auch nur wenige zum Volksentscheid. Die These, wonach Volksentscheide vor allem jene Menschen erreichten, die politikverdrossen seien und etablierte Parteien ablehnten, habe sich damit nicht bestätigt, sagte Ulrike Rockmann.

SPD, CDU, LINKE UND GRÜNE

Anhand eines Vergleichs mit der Abgeordnetenhauswahl im Jahr 2006 ließ sich

sehr klar feststellen, dass dort, wo viele SPD-Wähler leben, auch mehr Menschen zur Abstimmung gingen. Das gelte aber auch für Gegenden mit vielen CDU-Wählern, sagte Geert Baasen, Geschäftsstellenchef der Landeswahlleiterin: „Bei den Linken und bei den Grünen ist der Zusammenhang zwar auch vorhanden, aber längst nicht so ausgeprägt wie bei Union und Sozialdemokratie“. Er selbst sei über die vergleichsweise geringe Wahlbeteiligung in grünen Hochburgen wie Kreuzberg überrascht gewesen.

JA– UND NEIN–SAGER

Noch überraschter waren die Statistiker allerdings über die hohe Zahl (98,2 Prozent) der Bürger, die mit Ja stimmten. „Damit hat niemand gerechnet“, sagt Baasen und deshalb seien am Abend auch so viele überrascht gewesen, dass der Entscheid erfolgreich war: „Da den ganzen Tag gemeldet wurde, die Beteiligung sei geringer als bei den gescheiterten Volksentscheiden zu Pro Reli oder Tempelhof, gingen sie ebenfalls von einem Scheitern aus. Dass diesmal aber viel mehr beziehungsweise fast alle mit Ja stimmten, wurde nicht bedacht.“ Baasen wies zugleich Meldungen zurück, wonach es zwischen 16 und 18 Uhr zu einem Ansturm auf die Abstimmungslokale gekommen sei: „Die meisten kamen zwischen 12 und 16 Uhr“, sagte er.

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