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IM PARLAMENT Debatte über Verwahrlosung und Komatrinken: Kinderschutz soll effektiver werden

Senator Zöllner: Unzureichende Zusammenarbeit von Behörden und privaten Institutionen verbessern

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Schutz der Kinder sei ein so wichtiges Thema, dass es sich nicht für parteipolitische Streitigkeiten eigne, sagte Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gestern im Parlament. Die Anträge aller Fraktionen für die Stärkung der Kinderrechte spiegle die große Sachlichkeit wider, um die sich die Abgeordneten bemühten. Das Lob des Senators galt dem Abgeordnetenhaus, dass sich in einer Aktuellen Stunde mit der Situation der Kinder und Jugendlichen in Berlin befasste.

„Jeder Fall von Verwahrlosung und Misshandlung ist einer zu viel“, sagte Zöllner und er räumte ein, dass die Arbeit der Jugendämter neu organisiert werden müsse. Es gehe nicht nur um mehr Personal. Das Nebeneinander vieler Behörden, privater Träger und diverser Institutionen habe sich als ineffektiv erwiesen. Trotz mancher Geburtsfehler sei das Netzwerk Kinderschutz der richtige Weg. „Aber es ist, um ehrlich zu sein, noch viel zu tun.“

Die zentrale These des Bildungssenators: Die Grenzen der Institution Familie sind in einer Gesellschaft, die im starken Umbruch ist, längst erreicht. Den Eltern werde, auch wegen des deutschen Systems der Halbtagsschule, die volle Erziehungsaufgabe überlassen. „Aber wer alles selbst organisieren muss, ist bald überfordert.“ Armut, Sucht und psychische Probleme der Eltern führten zu Kindesverwahrlosung und Misshandlungen. Jugendliche Mütter, Gewalt in der Partnerschaft und mehrere Vorschulkinder in einer Familie seien weitere Faktoren, die sich negativ auf die Lage von Kindern und Jugendlichen auswirkten.

Die Grünen beantragten gestern im Parlament, wesentliche Kinderrechte in der Berliner Verfassung zu verankern. Diese Forderung wurde von Rot-Rot und CDU grundsätzlich positiv aufgenommen. Der Wunsch der FDP, nach dem Vorbild des Bundestages eine parlamentarische Kinderkommission einzurichten, fand aber keinen großen Widerhall. Dies sei, so wurde kritisiert, ein Schaufensterantrag. Stattdessen setzte sich zum Beispiel die CDU-Abgeordnete Emine Demirbüken für neue Beteiligungsrechte für Kinder und Jugendliche ein. Vor allem auf bezirklicher Ebene. Etwa bei der Stadt- und Verkehrsplanung, forderte auch die Grünen-Abgeordnete Clara Herrmann. SPD und Linke betonten ebenfalls die Notwendigkeit, Kinder stärker am gesellschaftlichen und politischen Leben zu beteiligen. Einig waren auch alle Fraktionen, dass der ausländerpolitisch motivierte Vorbehalt der Bundesregierung gegen die UN-Kinderschutzkonvention endlich aufgegeben werden muss.

Neben solchen Bekenntnissen gab es noch handfeste Neuigkeiten: Die Koalitionsfraktionen wollen das Problem eines preiswerten Mittagessens für alle Kinder an den gebundenen Ganztagsschulen zügig lösen. Der Senat werde in Kürze einen Vorschlag machen, so Zöllner. Zudem werden SPD und Linksfraktion die Finanzierung der Hilfen zur Erziehung im Doppelhaushalt 2008/09 noch einmal überprüfen. Das Budget müsse um 25 Millionen Euro erhöht werden, forderten die Grünen.

Kritik wurde von allen Seiten an der Arbeit der Jugendämter geübt. Es fehlten Stellen und das vorhandene Personal sei überaltert. Außerdem seien zwei Stellen bei der Kinderschutz-Hotline immer noch nicht besetzt, bemängelte die Opposition.

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