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Zwischen Marx und Marzahn. Linken-Landeschef Klaus Lederer setzt für das Wahlkampfjahr 2011 auf die Ostkompetenz seiner Partei.

© Mike Wolff TSP

Interview mit Klaus Lederer: "Wir sind die Anwälte der Kreativen"

Der Linken-Landeschef Klaus Lederer spricht über die wichtigsten Konkurrenten und neue Zielgruppen seiner Partei. Und warum die Linke jetzt für sich reklamiert, als einzige Partei die Interessen der "Menschen mit ostdeutschen Wurzeln" zu vertreten.

Herr Lederer, die rot-rote Koalition hat für sich in Anspruch genommen, Berlin politisch zu einen. Jetzt reklamiert die Linke für sich, als einzige Partei die Interessen der „Menschen mit ostdeutschen Wurzeln“ zu vertreten. Warum das – 21 Jahre nach dem Fall der Mauer?

Wir sind die, die im Parlament und im Senat die Vereinigung von Ost und West personell verkörpern. Die SPD verfügt über eine Staatsekretärin mit Ost-Hintergrund, bei den Grünen sitzen, glaube ich, zwei Ostdeutsche. Wir machen vor, wie es zusammen gehen kann.

Warum sollen sich 20 Jahre alte Leute, die vielleicht linke Politik machen wollen, für ostdeutsche Wurzeln interessieren?

Es geht um die Frage, wie bestimmte Stadteile in der Politik repräsentiert werden, wenn sich politische Akteure in der Stadt nur noch auf Berlin innerhalb des S-Bahn-Rings fokussieren. Der CDU- Wirtschaftsstadtrat aus Marzahn-Hellersdorf Christian Gräff befürchtete vor kurzem, wenn hier eine rot-grüne Konstellation entstehe, werde sich niemand mehr für das interessieren, was in Marzahn-Hellersdorf lebensgefühlsmäßig, ökonomisch und sozial los ist.

Sie wollen „die treibende Kraft für soziale Reformen“ bleiben, so der Leitantrag. Was würden Sie in Angriff nehmen wollen, wenn die Linke weiter in Berlin mitregiert?

Wir müssen an der Stärkung der industriellen Struktur der Stadt weiterarbeiten. 114 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse sind geschaffen worden. Auf dem Weg müssen wir weitergehen. Es geht auch um Regelungen wie das Vergabegesetz und um anständige Löhne. Wir wollen neue Arbeitsplätze schaffen, die – auch da, wo weniger hohe Qualifikationen erforderlich sind – ein einigermaßen gutes Auskommen ermöglichen. Und es geht darum, dass die Menschen, die jetzt hier leben, von einer solchen Entwicklung profitieren.

Ihr wichtigster Konkurrent sind die Grünen. Was wird die Linke als ihre Erfolge in der Umweltpolitik reklamieren?

Wir haben den Klimaschutz vorangetrieben, etwa durch das Umweltentlastungsprogramm. Wir haben uns erfolgreich gegen den Neubau eines Steinkohlekraftwerk in Rummelsburg, eine Dreckschleuder eingesetzt. Wir haben Anknüpfungspunkte für dezentrale Energieversorgung geschaffen, die sich in unserem Konzept für ein Bürgerstadtwerk wiederfinden.

Sie haben nicht von der A100 gesprochen.

Das ist ein teures und verkehrspolitisch sinnloses Projekt, das die Probleme nur verlagert. Wir werden aber die Verkehrsprobleme im Südosten angehen müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass nicht die Menschen in Treptow-Köpenick die Leidtragenden sind, wenn BBI in Betrieb gegangen ist und der gesamte Verkehr auf den ganz normalen Straßen läuft. Wir werden über sinnvolle Alternativen dort noch mal nachdenken müssen.

Es gibt viele Neuberliner in der Stadt. Was könnte für die an der Linkspartei interessanter sein als an den Grünen?

Wir haben einiges versucht, um das zu erhalten, was die Berliner Kreativität ausmacht. Das betrifft nicht nur die Club- und die Kulturszene. Da finden massive Verdrängungsprozesse statt. Diejenigen, die früher wegen der hippen Szene etwa nach Mitte zogen und inzwischen Familie und Kinder haben, empfinden die Clubs heute als störend. Da sehen wir uns als Anwälte derjenigen, die die Kreativität der Stadt immer wieder erneuern. Der Zuzug hatte außerdem Konsequenzen für die Mieten in der Stadt. Wir müssen dafür sorgen, dass das Wohnen in der gesamten Stadt für Leute mit unterschiedlich vollen Geldbeuteln möglich bleibt, etwa durch Belegungsbindungen und die Bereitstellung von Wohnraum in den unteren und mittleren Preissegmenten. Wir wollen, dass die Stadt nicht nur für das gealterte intellektuelle Charlottenburger Publikum und das inzwischen ebenfalls gealterte Publikum aus Prenzlauer Berg lebenswert ist. Sie muss es auch für die sozial Schwachen und die vielen jungen Leute bleiben, die gekommen sind, weil Berlin bunt, kreativ und lässig ist. Deren Interessen nehmen wir wahr.

Bei den sozialen Mieten kommen Sie offenbar mit der SPD nicht weiter.

Es gibt da eine partielle Realitätsverweigerung. Teile der SPD wollen immer noch nicht anerkennen, dass es eine angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt gibt, die ein neues ordnungsrechtliches Vorgehen erfordert.

Das Gespräch führte Werner van Bebber.

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