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Ehrhart Körting

© dpa

Interview: "Unser Angebot ist kein Almosen"

Einmalzahlungen im öffentlichen Dienst können keine Tarifsteigerungen ersetzen, meint Innensenator Ehrhart Körting – die Forderungen der Gewerkschaften aber hält er für überzogen.

Was ist Ihnen lieber: volle oder leere Schwimmbecken?

Ein halb volles Becken. In einem Becken, das überfüllt ist, kann ich nicht ordentlich schwimmen.

Als Sportsenator und Aufsichtsratsvorsitzender der Berliner Bäder müssten Ihnen doch volle Becken recht sein.

Ja, aber die Leute wollen ja schwimmen und nicht nur planschen. Klar ist: Leere Becken können wir uns nicht leisten. Ich will, dass die Leute in der Innenstadt schwimmen gehen können und das möglichst häufig.

Seitdem Sie die Bäder politisch verantworten, schwimmen Sie nach und nach alle Bäder ab. Wie viele haben Sie geschafft?

Das müssten jetzt 24 sein.

War da auch schon ein Sommerbad dabei?

Nein, die Sommerbäder mache ich noch. Ich will erst einmal alle Hallenbäder kennenlernen, um zu wissen, wovon ich rede. Und der Schwerpunkt unseres Sanierungsprogramms liegt bei den Schwimmhallen.

Da müssen Sie sich beeilen. In vier Wochen machen diese Bäder schon wieder zu.

Die Sommerbäder müssen schließen, weil wir im September das Personal für die Hallen für die Schulen und Vereine brauchen …

… und weil das Personal nicht reicht, beides gleichzeitig offen zu halten. Wann müssen die Bäderbetriebe wieder anfangen, einzustellen?

Wir stellen ein, wir bilden auch aus. Wir haben aber bisher Personal, das nur eingeschränkt eingesetzt werden kann. Die Zukunft liegt in Mitarbeitern, die multifunktional eingesetzt werden können …

… also sowohl am Becken aufpassen als auch die Umkleiden wischen …

… so ähnlich. Aber das können wir nur machen im Rahmen der Fluktuation aus Altersgründen.

Warum sind die Sommerbäder für Sie nicht so wichtig?

Hallenbäder müssen wir für alle Bevölkerungsschichten vorhalten, aber vor allem für die Schulen und Vereine. Und ganz wichtig ist: Hallenbäder erfüllen eine wichtige Gesundheitsfunktion, denn schwimmen können Sie bis ins hohe Alter. Das hält fit und mobil. Ich meine auch nicht, dass Sommerbäder per se nicht zur Daseinsvorsorge gehören. Es gibt Stadtteile, in denen gehören diese Bäder auch dazu, etwa in Kreuzberg das Prinzenbad.

Dort waren allein im Juli über 55.000 Besucher. Solche Zahlen erreicht keine Schwimmhalle.

Richtig, deswegen zählen auch das Prinzenbad und das Bad in der Forckenbeckstraße in Wilmersdorf durchaus zur Daseinsvorsorge. Die Scheidelinie liegt nicht so sehr zwischen Hallen- und Sommerbädern, sondern zu den Freibädern, wie dem Strandbad Wannsee.

Am Wannsee waren im Juli fast 67.000 Besucher.

Ich will das Strandbad Wannsee ja nicht schließen, aber ich glaube nicht, dass wir es in staatlicher Hand betreiben müssen. Wir haben das Bad ausgeschrieben, um zu gucken, ob wir jemanden finden, der das Bad betreibt. Zurzeit sieht es allerdings nicht danach aus. Wir werden es doch selber weiter betreiben müssen.

Warum lässt sich niemand finden?

Für einen privaten Betreiber rechnet es sich nur, wenn man erheblich investiert und ausbaut. Ein Hotel zum Beispiel. Das ist aber aus natur- und wasserschutzrechtlichen Gründen schwierig. Dafür habe ich Verständnis.

Selbst am Wannsee gibt es inzwischen Taschenkontrollen. Das ist Teil des Sicherheitskonzepts der Bäder, was sich offenbar auszahlt. Es kommen wieder mehr Familien in die Bäder. Ist das ein Modell auch für die BVG?

Ich halte es für richtig, dass in Bädern Sicherheitsleute patrouillieren. Das kann von den Schwimmmeistern allein nicht geleistet werden. Für die BVG gilt das ähnlich: Wenn wir immer weniger Personal für den Verkehr brauchen, wird das alles anonym und sicherheitsanfällig. Eine Videoüberwachung kann zu einem Sicherheitsgewinn führen, wenn sie allen Beteiligten klargemacht wird. Ich habe gegenüber der BVG angeregt, nicht nur zarte Hinweise auf die Überwachung zu machen, sondern offensiv damit umzugehen und in jeder U-Bahn-Station eine ganze Wand groß zu beschriften: „Hier wird videoüberwacht“, auf Deutsch, Türkisch, Arabisch und Serbisch …

Hilft die Videoüberwachung allein, um ein besseres Sicherheitsgefühl zu erreichen?

Ich denke, wir werden nicht umhinkommen, Menschen auf den Stationen einzusetzen, zum Beispiel als Mobilitätshelfer. Denn Sie haben ein besseres Sicherheitsgefühl, wenn da jemand ist, ganz egal, ob er etwas zur Sicherheit beiträgt oder nicht. Wir werden uns überlegen müssen, wie wir wieder Personal auf die Bahnhöfe bringen und wie man das finanziert.

Sollten Kripobeamten in Zivil kostenlos mitfahren dürfen, um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen?

Beamte in Zivil können auch zur Sicherheit beitragen, wenn sie ihren Fahrschein bezahlen. Entscheidend ist doch die Sichtbarkeit. Deswegen fahren Beamte in Uniform kostenlos und das halte ich für richtig.

Anderes Thema: Wann will sich die SPD anhören, was Heinz Buschkowsky auf seinen Reisen in Rotterdam und London erfahren hat?

Wir haben ihn inzwischen angehört, in unseren entsprechenden Arbeitskreisen der Partei. Und da stellt sich heraus: Wir sind viel weiter. In London hat er überhaupt nichts gehört, was wir nicht schon wussten. Buschkowsky sagt in seinen Interviews viele spannende Dinge, aber auch, dass man diese nicht auf Berlin übertragen könne. Nicht alles, was er aus der Emotion heraus als neues Denkmodell präsentiert, hält einer genauen Überprüfung stand. Aber als Anreger ist er immer willkommen.

Thema Tarifverhandlungen. Die 300 Euro Einmalzahlung werden von der Gewerkschaft als Almosen gewertet.

Das sind keine Almosen. Es ist genau die gleiche Summe, die die reichen Bundesländer und die reichen Kommunen in den Jahren 2006 und 2007 ihren Mitarbeitern als Einmalzahlung gegeben haben. Übrigens auch in Städten wie Köln und München. Stattdessen werden wir zum 1. Januar 2010 die Tarife aller Ost-Beamten um 7,5 Prozent erhöhen, damit sie von 92,5 auf 100 Prozent Gehalt kommen. Auch das kostet viel Geld. Und außerdem habe ich einen Gesetzentwurf eingebracht, damit es für alle 50 Euro mehr gibt beim dritten Kind.

Die Botschaft kam bei den Gewerkschaften aber nicht an.

Ich hatte in den Verhandlungen ja nicht nur eine Einmalzahlung angeboten, sondern auch eine Sockelzahlung von 50 Euro pro Monat. Aber das hat Verdi nicht gereicht, sie haben die Gespräche abgebrochen. Dabei sind die 50 Euro Sockelbetrag für diejenigen, die von den Gewerkschaften immer angeführt werden, also niedrige Lohngruppen, bis zu einem Einkommen von 1730 Euro, wie Wachpolizisten, genau die 2,9 Prozent gewesen, die sie gefordert hatten. Es wären nur für die Besserverdienenden keine 2,9 Prozent gewesen.

Was bedeutet das für die Tarifverhandlungen im kommenden Jahr?

Einmalzahlungen, die wir jetzt leisten, können auf Dauer keine Tarifsteigerungen ersetzen. Die Gewerkschaften verweisen zu Recht auf Inflation und die höheren Abschlüsse beim Bund und den Städten. Da müssen wir sehen, wie wir unseren Haushalt sauber halten und andererseits unsere Mitarbeiter nicht zu sehr abkoppeln von den Gehältern, die andernorts im öffentlichen Dienst bezahlt werden.

Befürchten Sie neue Streiks nach der Sommerpause?

Streiks sind das gute Recht der Gewerkschaften. Aber man muss doch die Kirche im Dorf lassen. Der öffentliche Dienst ist nicht das Armenhaus der Republik. Da werden in anderen Branchen ganz andere Löhne gezahlt.

Sie fahren in den Urlaub, aber nicht zu den Olympischen Spielen.

Nach Peking fahren der Regierende Bürgermeister und der Sportstaatssekretär, um bei den Olympischen Spielen für die Leichtathletik-WM 2009 in Berlin zu werben. Wir machen dort einen „Berlin-Tag“. Ich bin dann bei den Paralympics.

Warum?

Da fahre ich bewusst hin, denn ich finde, der Behindertensport ist endlich aus einer geduldeten Ecke heraus, ist gleichberechtigt und trägt ganz viel zur Integration von Behinderten in der Gesellschaft bei.

Sie sind jetzt 66, da könnten Sie auch an den wohlverdienten Ruhestand denken.

Tue ich aber nicht. Ich habe noch Spaß an der Auseinandersetzung, auch mit den Gewerkschaften. Aber ich weiß: In dem Moment, wo ich nur noch hier sitze und mich herumquäle, mich frage, wie ich den Tag herumkriege, höre ich am nächsten Tag auf.

Das Gespräch führten Stefan Jacobs und Matthias Oloew.

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