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Jugendliche: Gewalt an Schulen: Viele Ideen, aber kein Konzept

In einer Anhörung haben die Abgeordneten nach einer Lösung für das Problem Gewalt an Schulen gesucht. Experten sprechen sich für mehr Kooperation und Kontinuität aus - doch der Senat will erst mal einen weiteren Bericht schreiben.

Von einer Einrichtung wie dem Raphaelshaus in Dormagen können Berliner Jugendpolitiker nur träumen. 250 Plätze, das volle Programm für schwierige Jugendliche, Schulschwänzer, Jungkriminelle, junge Leute ohne Perspektive, alles auf einem Gelände. In den vergangenen sieben Jahren, so sagte der Leiter der Einrichtung, Hans Scholten, in einer Anhörung des Jugendausschusses am Donnerstag, sei nicht einer der im Raphaelshaus betreuten Jugendlichen rückfällig geworden. Die Frage nach den Prinzipien des Hauses beantwortete Scholten mit zwei Worten: „Geduldige Begleitung“, garantiert für zwei Jahre, wenn schwierige Jugendliche das brauchen.

In der Kleinstadt Dormagen mit ihrem Raphaelshaus lösen sie die Probleme der Großstadt Köln. Von hier kommen die meisten Kinder und Jugendlichen und erleben, wie Scholten sagte, „Struktur, Wertschätzung, Perspektive“. Außer Scholten hatten die Jugendpolitiker noch zwei andere Fachleute geladen, um zu hören, was es an Ideen und Konzepten gegen Gewalt an Schulen gibt – Elvira Brandt, die Geschäftsführerin der Streetworker-Organisation Gangway, sowie den Jugendsoziologen Dirk Baier vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen in Hannover. Wenn es in der Diskussion einen Begriff gab, den Brandt und Baier für ebenso wichtig hielten wie Scholten, dann war es „Kontinuität“. Die Streetwork-Fachfrau Elvira Brandt erinnerte an das erfolgreiche Intensivtäter-Konzept: Das funktioniere auch deshalb so gut, weil für jeden Delinquenten „einer zuständig ist“.

Normal ist in Berlin allerdings ein Nebeneinander von Einrichtungen und Methoden im Umgang mit problematischen Jugendlichen, auch das zeigte die Anhörung. Die Ursachen für auffälliges Verhalten, Schulversagen, Neigung zur Gewalt unter jungen Männern und zunehmend auch unter jungen Frauen sind längst erforscht – es fängt mit Gewalterfahrung in der Familie an und endet nicht beim Versagen in der Schule.

Die Reaktion der Behörden, so Brandt, sei darauf stets „kurzfristig“. Aber die meisten Jugendlichen bräuchten nichts so dringend wie langfristig verlässliche Bezugspersonen. Brandt beschrieb das Grundproblem der Berliner Besserungsversuche auf vielerlei Ebenen von der Schule über das Jugendamt bis zur Justiz mit dem abstrakten Satz: „Wir stellen permanent die Innovation neben die Struktur.“ Anders gesagt: Es fehlt so etwas wie ein ordnendes Prozessmanagement. In der Kooperation zwischen Jugendhelfern, Sozialarbeitern, Lehrern, Polizisten und Jugendrichtern fehlt die Systematik.

Wie es weitergehen soll mit der Berliner Jugendhilfe, wussten die Abgeordneten nach der Anhörung wohl nicht so recht. Immerhin hatten sie von den drei Fachleuten gehört, dass die von einer Absenkung der Strafmündigkeit auf zwölf Jahre so wenig halten wie von einem Warnschussarrest, der ohne jede pädagogische Begleitung erfolgt. Die Jugendverwaltung will nun erst einmal zusammenschreiben, was an Erkenntnissen über Gewalt an Schulen vorhanden ist. Staatssekretär Eckart Schlemm versprach zum Frühjahr einen „Bericht“.

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