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Kindergeld-Debatte: Wowereit maßregelt Finanzsenator Sarrazin

Mit seinen neuen Forderungen zu Kindergeld und Kündigungsschutz hat Thilo Sarrazin die gesamte Koalition gegen sich aufgebracht.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

So öffentlich und deutlich hat Klaus Wowereit seinen Finanzsenator bisher selten abgekanzelt. Den Vorschlag des Parteifreundes Thilo Sarrazin, das Kindergeld erst ab dem dritten Kind zu zahlen, kritisierte der Regierende Bürgermeister am Sonntag als „absolute Einzelmeinung“. Sarrazins Äußerung sei „politisch instinktlos und in dieser Form unausgegoren“, sagte Wowereit. Auch in der SPD schütteln alle den Kopf.

In einem Gespräch mit dem Magazin „Wirtschaftswoche“ hat Sarrazin, wie berichtet, die geltende Kindergeldregelung abgelehnt. Deswegen bekommen die Deutschen doch nicht mehr Nachwuchs.“ Wenn es um die „generative Steuerung“ gehe, sollte erst ab dem dritten Kind gezahlt werden. Senatssprecher Richard Meng erklärte, warum diese Meinung dem Regierenden Bürgermeister so gegen den Strich geht. „Alle Kinder sind gleich teuer, deshalb gibt es in Deutschland für alle Eltern einen einkommensunabhängigen Festbetrag.“ Das Kindergeld ziele auf soziale Gerechtigkeit. Wenn es nur einen Steuerfreibetrag für Kinder gebe, begünstige dies die Besserverdienenden.

Auch der SPD-Landeschef Michael Müller ist es leid, sich ständig mit Sarrazin auseinandersetzen zu müssen. „Ich bedauere es sehr, dass der Finanzsenator immer wieder mit Positionen Verwirrung stiftet, die keine SPD-Positionen sind“, sagte Müller dem Tagesspiegel. Ihn stört nicht nur die Äußerung zum Kindergeld, sondern auch Sarrazins Forderung zur Lockerung des Kündigungsschutzes. „Am Kündigungsschutz wird nicht gerüttelt“, so Müller. Wenn der Senator daran etwas ändern wolle, solle er sich parteiintern auseinandersetzen und nicht in der Zeitung darüber reden.

Der Koalitionspartner, die Linke, hat in Sachen Sarrazin offenbar resigniert. „Wir haben alle keine Lust mehr, uns zu Sarrazin zu äußern“, sagte die Fraktionssprecherin Kathi Seefeld gestern. Der Finanzsenator solle seine Kraft besser darauf verwenden, die Tarifverhandlungen zwischen den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und der Gewerkschaft Verdi zum Erfolg zu führen. Ansonsten werde sich die Linke von Sarrazin keine Diskussionen mehr aufzwingen lassen, „die bei uns jedenfalls niemand führen will“.

Von Seiten der CDU wird Sarrazin nahe gelegt, über einen Parteiwechsel nachzudenken. Aus der FDP hat er schon mehrfach – mehr oder weniger ernst gemeinte – Angebote bekommen, sich den Freien Demokraten anzuschließen. Nach Meinung der Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig passt das ins Bild. „Auch die neuen Vorschläge Sarrazins sind doch großenteils klassisch neoliberal“. Aber das sei nicht ein Problem der Grünen, sondern der Berliner SPD. „Offenbar ist es für Sarrazin zur richtigen Sucht geworden, öffentlich Positionen zu vertreten, die überhaupt nicht sozialdemokratisch sind“. Wenn er so weiter mache und darüber seine eigentliche Aufgabe vernachlässige, den Berliner Landeshaushalt auf Dauer zu konsolidieren, könne man den Finanzsenator bald nicht mehr ernst nehmen.

Erst im Februar war Sarrazin mit der Einschätzung angeeckt, dass die staatlichen Hilfen für Hartz IV-Empfänger auskömmlich seien. Armut sei nicht durch mehr Geld bekämpfbar. Auch in die Schul- und Hochschulpolitik hatte er sich seit seinem Amtsantritt im Januar 2002 immer wieder kritisch eingemischt. Im Gespräch mit der Wirtschaftswoche profilierte er sich nun auch als Familien- und Gesundheitsexperte. Unter anderem sprach er sich dafür aus, Fachärzte möglichst nur noch in Kliniken zuzulassen. Die Grund- und Erstversorgung der Patienten sollten nur noch niedergelassene Hausärzte übernehmen.

Seit geraumer Zeit gibt es Spekulationen, der 63-jährige Sarrazin wolle im Mai 2009 – als krönender Abschluss seiner beruflichen Laufbahn – in den Vorstand der Bundesbank wechseln. Das Vorschlagsrecht für den nächsten vakanten Posten haben Berlin und Brandenburg. Allerdings gibt es bisher nach Informationen des Tagesspiegel noch keine Absprache zwischen den beiden zuständigen Regierungschefs Wowereit und Matthias Platzeck (SPD) über einen gemeinsamen Personalvorschlag. Eine Festlegung auf Sarrazin sei keineswegs zwangsläufig. Angewiesen darauf wäre der Senator nicht. Er gilt als vermögender Mann.

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