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Koalition: Bei Rot-Rot liegen die Nerven blank

Nach der gescheiterten Wahl der Rechnungshofpräsidentin fürchten SPD und Linke um ihr Bündnis Opposition wirbt für eine Konsenslösung. CDU-Wirtschaftsrat fordert Bildung einer großen Koalition.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Sozialdemokraten und Linke sind schockiert. Von einer Regierungskrise ist die Rede, die Stimmung in den Koalitionsfraktionen gedrückt. Nach der Schlappe am Donnerstagabend im Abgeordnetenhaus, als die SPD-Frau Hella Dunger-Löper nicht zur Rechnungshofpräsidentin gewählt wurde, schwor Linksfraktionschef Udo Wolf seine Genossen in einer Sondersitzung ein: Jetzt müsse gezeigt werden, dass Rot-Rot bis zur Berliner Wahl 2011 noch gemeinsam etwas zu bieten habe. Misstrauen und Zwietracht dürften nicht die Oberhand gewinnen.

Die Sozialdemokraten schauten sich den Scherbenhaufen am Freitag aus der Ferne an. Die Spitzenleute aus Partei und Fraktion bangten auf dem SPD-Bundesparteitag in Dresden um die Wahl des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit zum stellvertretenden Parteichef. Dankbar nahmen sie Hinweise aus den Delegationen der großen Länder auf, dass Wowereit genügend Stimmen bekommen werde – was sich in Gestalt der 89,6 Prozent Zustimmung bestätigen sollte. Ansonsten hieß es aber: Bitter, sehr bitter diese Wahlniederlage im Berliner Landesparlament. Das sei so schnell nicht zu verdauen. Zum Frust der Berliner Genossen trug auch bei, dass die nicht gewählte Dunger-Löper mittags als Delegierte in Dresden auftauchte.

SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller bedauerte pflichtschuldig, „dass es in der Koalition U-Boote gibt“. Damit meinte er jene zwei Abgeordneten, die der Senatskandidatin für den Landesrechnungshof die Ja-Stimme verweigerten. Müller dementierte aber heftig, gesagt zu haben, es gebe U-Boote in der SPD-Fraktion. Auf der anderen Seite bemühte sich Linken-Landeschef Klaus Lederer, den Eindruck zu verwischen, er habe den Sozialdemokraten mit dem Satz: „unsere Fraktion hat gestanden“, den Schwarzen Peter zugespielt. Nein, Lederer will gesagt haben: „Kein Kommentar, unsere Fraktionen standen vorher, am Ende fehlte eine Stimme.“ Offenbar liegen in beiden Fraktionen die Nerven blank.

Vor der missratenen Wahl der 57-jährigen Staatssekretärin in der Stadtentwicklungsverwaltung zur obersten Finanzkontrolleurin Berlins hatte es in der Linksfraktion eine Probeabstimmung gegeben. Es gab niemanden, der gegen Dunger-Löper votierte. In der SPD-Fraktion hatten Müller und Wowereit gefragt, ob es Einwände gegen die Kandidatin gebe. Kritische Stimmen wurden laut, so hört man, aber letztlich hätten alle versichert, sie würden die Kandidatin mitwählen. Es habe auch vorher schon das Angebot gegeben, sich an die Fraktionsspitze oder die Sprecher der diversen Parteiflügel zu wenden, sollte jemand politische Bauchschmerzen bekommen. Dieses Angebot sei aber nicht wahrgenommen worden.

In einem Brief an alle Fraktionen schlug der CDU-Vorsitzende Frank Henkel am Freitag vor, „die Konfrontation zwischen Regierung und Opposition aufzulösen und einen für alle Seiten tragfähigen Konsens zu finden“. Bei der neuen Suche nach einem Rechnungshofpräsidenten im Sinne von „Unabhängigkeit und Überparteilichkeit“ sollten die Spitzen der fünf Fraktionen sich auf eine gemeinsame Linie verständigen. Aus Koalitionskreisen gab es leise Signale, dass ein solches Verfahren möglich wäre. Grüne und FDP machen in jedem Fall mit. Der CDU-Wirtschaftsrat ging noch einen Schritt weiter und forderte, bis zum Ende der Legislaturperiode 2011 eine große Koalition aus CDU und SPD zu bilden.

Rot-Rot hat im Abgeordnetenhaus 76 Mandate. Die Opposition verfügt über 73 Sitze – plus einem ehemaligen CDU-Abgeordneten, der jetzt fraktionslos ist. Diese knappe Koalitionsmehrheit wäre Wowereit bei seiner Wahl zum Regierungschef im November 2006 fast zum Verhängnis geworden. Erst im zweiten Wahlgang reichten die Stimmen. Die Heckenschützen aus den eigenen Reihen haben sich bis heute nicht bekannt. Da fast alle Abstimmungen im Parlament offen sind, spielte die knappe Mehrheit bisher keine entscheidende Rolle. Aber bei geheimen Wahlen scheint Rot-Rot keine sichere Mehrheit mehr zu haben.

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