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Lärmbelästigung: Ruhe da draußen: Wie die Stadt leiser werden soll

Ab Mitte Mai können die Berliner sich an der Senatsplanung gegen den Lärm beteiligen.

Die Diagnose zum heutigen internationalen „Tag gegen Lärm“ ist eindeutig: Berlin ist zu laut. Jeder 13. Berliner muss tagsüber einen potenziell gesundheitsschädlichen Lärm ertragen, nachts sogar jeder zehnte. Der Senat will das ändern – mit einem Konzept, über das die Bürger mitreden können und das die Stadtplanung in den nächsten Jahrzehnten prägen wird.

Mitte Mai will die Verwaltung diesen Lärmminderungsplan präsentieren und vier Wochen lang in allen Bezirken öffentlich auslegen. Nachdem die Anmerkungen der Bürger eingearbeitet worden sind, sei für den Herbst ein detaillierter Senatsbeschluss geplant, berichtet Bernd Lehming, der in der Umweltverwaltung das Referat Immissionsschutz leitet. „Und dann geht’s an die Umsetzung.“

Weil der Straßenverkehr mit Abstand das Hauptproblem ist, gilt ihm die größte Aufmerksamkeit. Tempo 30 ist nach Auskunft von Lehming „eine effektive und billige Maßnahme“, soll aber nicht die Patentlösung werden. Geplant ist stattdessen, Lkw-Verkehr nachts aus Wohnstraßen fernzuhalten und den Verkehr gleichmäßig fließen zu lassen – je nach Einzelfall mit 50, 40 oder auch 30 Kilometern pro Stunde. Werden Pflasterstraßen asphaltiert, verringert sich der subjektiv empfundene Lärm nach Auskunft von Lehming um drei Viertel. Die Sanierung maroder Asphaltstraßen bringt auf dem Papier eine Halbierung, kann aber – wegen der Lärmspitzen an Schlaglöchern – subjektiv noch mehr nützen. Aber: Gute Straßen kosten Geld, an dem es in den Bezirken schon seit Jahren fehlt.

„Es gibt aber auch Stellen, wo einem außer Schallschutzfenstern nichts mehr einfällt“, sagt Lehming und nennt rund zwei Dutzend Straßen als besondere Problemfälle: Zum einen die typischen Ausfallstraßen wie den Tempelhofer Damm, zum anderen relativ schmale, mit Wohnhäusern bebaute Verbindungen in der City wie Kant- und Beusselstraße. Würden alle Autofahrer sanft und niedertourig fahren, wäre das Problem nur halb so groß. Ein überraschend großer Schritt in diese Richtung sind nach Auskunft von Lehming die in vielen Wohngebieten aufgestellten Displays, die je nach Tempo „Langsam“ oder „Danke“ anzeigen.

Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA) leiden etwa 13 Millionen Deutsche unter Lärm, der sie schlecht schlafen lässt und ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen messbar steigen lässt. Wobei der Straßenverkehr das größte, aber nicht das einzige Übel ist. In einer Studie zeigte sich ein direkter Zusammenhang zwischen Fluglärm und Arzneimittelkonsum der Betroffenen.

Das Fluglärm-Problem betrachtet die Verwaltung mit der Schließung von Tempelhof und Tegel langfristig als gelöst – oder zumindest in abgeschwächter Form nach Schönefeld verlagert.

Schwieriger ist die Lage bei der Bahn als Lärmquelle Nummer zwei. Bei der Tram und an einigen Eisenbahntrassen sollen gedämpfte Gleise helfen. Die besonders lauten Güterzüge erhalten in den nächsten Jahren neue Bremsen, die weniger quietschen und lärmträchtige Unebenheiten der Räder ausgleichen sollen. Berlin will zudem ein 100-Millionen- Euro-Sanierungsprogramm des Bundes anzapfen, zumal die Stadt wegen vieler Bahndämme besonders stark betroffen ist.

Hintergrund der Aktivitäten ist wieder einmal eine EU-Richtlinie. Aber anders als bei der viel diskutierten Feinstaub-Verordnung kommt der Druck nach Auskunft von Referatsleiter Lehming nicht aus Brüssel, sondern von den Bürgern. Die beschwerten sich weit öfter über Lärm als über Luftverschmutzung. Umgekehrt gebe die EU keine Lärm-Grenzwerte vor, so dass niemand die Stadt auf Einhaltung verklagen könne. Die Grenzwerte habe der Senat selbst festgelegt. „Wir werden sie nicht unterschreiten können, aber wir werden herausholen, was möglich ist“, sagt Lehming – „schon, damit die Leute nicht aus der Stadt wegziehen“.

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