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Lahme Behörden: Berlins Jugendliche saufen unkontrolliert

Eigentlich wollten die Ämter der Berliner Bezirke Jugendliche öfter darauf überprüfen, ob die sich gerade um Sinn und Verstand saufen. Doch wie sich jetzt herausstellt, ist das Gegenteil der Fall: Nur halb so oft wie im Vorjahr gingen die Jugendämter auf Streife - abends schon gar nicht.

Als der 16-Jährige am Freitagabend gegen 22 Uhr auf dem Bahnhof Friedrichstraße zusammenbrach, hatte er 2,9 Promille Alkohol im Blut. Seine Freunde riefen die Polizei, der Jugendliche kam ins Krankenhaus. Gegen drei Uhr morgens lasen Polizei und Rettungsdienst in Marzahn eine sturzbetrunkene 14-Jährige auf. Sie hatte nach eigenen Angaben bei einer Party zu viel Alkohol getrunken.

Die beiden aktuellen Fälle können als Symbol für das große Ganze betrachtet werden: Immer mehr Jugendliche trinken bis zum Umfallen; unter den 10- bis 14-Jährigen sind es sogar mehr Mädchen als Jungs, in der Altersstufe 15 bis 19 Jahre sind es mehr Jungs. Während die Zahlen von Jugendlichen mit Alkoholvergiftung in Bezirken wie Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg stark gesunken sind, haben sie sich in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf nahezu verdoppelt. Das alles geht aus einer Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Clara Herrmann vom Februar 2008 hervor. Darin schreibt der Senat auch, dass die jugendschutz- und gaststättenrechtlichen Kontrollen verstärkt werden sollen.

Wie sich nun aber aus einer Antwort des Senats auf eine neue Anfrage des FDP-Abgeordneten Mirco Dragowski ergibt, ist das Gegenteil eingetreten. Während im vergangenen Jahr noch 60 sogenannte verdachtsunabhängige Kontrollen in Gaststätten durchgeführt wurden, waren es in diesem Jahr erst 31, und das Jahr ist fast zu Ende.

Das liegt am Personalmangel und an den Zuständigkeiten. Verdachtsunabhängige Kontrollen darf die Polizei nicht alleine durchführen; sie muss Mitarbeiter des Jugendamts mitnehmen. Die aber sind nach 22 Uhr in der Regel nicht mehr im Einsatz – das regelt die Rahmenarbeitszeitverordnung. „Wenn die Party anfängt, hören die Kontrollen auf“, fasst Grünen-Politikerin Herrmann die Lage zusammen. Die Polizei bietet jedem Jugendamt einmal pro Woche einen gemeinsamen Kontrolleinsatz an. Die Jugendämter nehmen das Angebot selten an. In Lichtenberg zum Beispiel hat es in diesem gesamten Jahr keinen einzigen solchen Einsatz gegeben, im Vorjahr waren es fünf. Einzig Charlottenburg-Wilmersdorf hat die Zahl von vier auf sieben gesteigert und eine „Task-Force Jugendschutz“ als Modellvorhaben auf den Weg gebracht.

„Gründe für eine Nichtteilnahme der Jugendämter basieren vor allem auf der angespannten Personalsituation“, heißt es in der Antwort des Senats. Außerdem sei zwischen 22 und 6 Uhr die Teilnahme freiwillig.

Die Oppositionspolitiker Dragowski und Herrmann halten das für einen unmöglichen Zustand. Die Jugendämter müssten personell besser ausgestattet werden, und wenn sie nachts nicht arbeiteten, dann müsse für diese Zeit eben ein anderer gefunden werden, der die Kontrollen durchführt, so Herrmann. Über eine Verschärfung von Gesetzen brauche man dann aber auch nicht zu reden. „Schon bestehende Gesetze werden ja nicht angewandt“, kritisiert auch Dragowski. Laut Senat wird derzeit an einer neuen Lösung gearbeitet.

Fatina Keilani

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