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Er will es nicht mehr hören, das Wort Stasi. Die Gegner der Linken werden ihn so schnell wohl aber nicht in Ruhe lassen.

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Update

Landesparteitag der Linken in Berlin: Berliner Linke wählt Gysi zum Spitzenkandidaten

Das wäre geschafft. Aber das Wort "Stasi", man hat es Gregor Gysi am Sonnabend angesehen, kann er nicht mehr hören. Nur wird er es noch eine ganze Weile hören müssen - die Ermittlungen laufen erst an.

Gregor Gysi betritt die Bühne im Saal der Jerusalem-Kirche später, als die Dirigenten des Parteitages es geplant hatten. Noch während er zum Podium läuft, teilen sie per Mikrofon mit: „Gregor hat verlängerte Redezeit!“ Gysi bedankt sich routiniert, Extrazeit hat er wohl erwartet, auch wenn er sie „im Bundestag nie bekomme“, wie er sagt. Im Saal lächeln sie, 94 Prozent der Parteitagsdelegierten der Berliner Linken wählen ihn später auf Platz 1 der Landesliste.

Die Delegierten dürften in diesen Tagen tatsächlich mehr von Gysi hören wollen, als das sonst schon der Fall ist. Und so geht der Chef ihrer Bundestagsfraktion sofort auf die neuen, alten Stasi-Vorwürfe ein: „Ich unterschreibe keine falschen eidesstattlichen Erklärungen – Punkt!“ Die aktuellen Diffamierungen speisten sich aus „Hass“, den er bei Gegnern der Linken nach wie vor sehe. Dabei sei er es gewesen, der für Robert Havemann und Rudolf Bahro den Freispruch gefordert habe – „und nicht diejenigen, die Kübel über mich ausschütten“. Havemann und Bahro waren in der DDR als Systemkritiker angeklagt, Gysi ihr Anwalt.

Das Wort „Stasi“, man sieht es Gysi am Sonnabend an, kann er nicht mehr hören. Doch wird er es noch eine Weile hören müssen. Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt wegen Verdachts der falschen eidesstattlichen Versicherung: Gysi habe womöglich fälschlicherweise erklärt, er habe „zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet“. Stasi-Vorwürfe hört er seit 1992. Immerhin, Illusionen über die politischen Gegner mache er sich nicht mehr. „Sie versuchen“, sagte Gysi, „uns unter die Fünf-Prozent-Hürde zu kriegen.“ Zuvor forderte Katja Kipping, die Linken-Bundeschefin, „in Zeiten wie diesen ein besonders deutliches Zeichen“ der Rückendeckung für Gysi.

In Umfragen liegt die Partei bei maximal sieben Prozent. Noch 2009 war die Linke mit fast zwölf Prozent in den Bundestag eingezogen. Und sollte sich das desaströse Zweitstimmen-Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl 2011 im September in Berlin wiederholen, zögen von den zehn Kandidaten der Landesliste nur zwei in den Bundestag ein. Das wäre insofern problematisch, als dass Gysi und Petra Pau die ersten beiden Listenplätze belegen. Deren Direktsieg in Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf gilt aber ohnehin als sicher. Wackeln könnten die Mandate von Gesine Lötzsch (Lichtenberg), Stefan Liebich (Pankow) und vor allem Halina Wawzyniak (Friedrichshain-Kreuzberg). Verliert Wawzyniak erneut gegen Grünen-Lokalgröße Hans-Christian Ströbele, dürfte ihr fünfter Listenplatz diesmal kaum reichen.

Gysi, die Extrazeit nutzend, will Mut machen. Ein „zweistelliges Ergebnis“ sei möglich. Die Linke sei „der Störenfried“, den die Politik brauche. Deshalb bleibe er konsequent gegen Kriegseinsätze, Rente mit 67 und Steuererleichterungen für Reiche. „Denn für diese Konsenssoße braucht uns kein Mensch.“

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