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Landesregierung: Rot-Rot: Viele Pflöcke, aber kein Fundament

Die rot-rote Regierungsarbeit überzeugt viele Bürger nicht mehr. Tempelhof, BBI, Mediaspree, Charité - die Liste offener Probleme ist endlos.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Senat und die Koalitionsfraktionen SPD und Linke können nicht frohgemut in den Urlaub fahren. In den Fachausschüssen des Parlaments haben sich fast tausend unerledigte Anträge, Vorlagen und Besprechungspunkte gesammelt. Die Landesregierung gräbt an vielen kleinen und großen Baustellen herum, überall werden Pflöcke eingeschlagen, die aber kein solides Fundament bilden. Viele ungelöste Probleme führen dazu, dass die Mehrheit der Wähler nicht mehr glaubt, dass Rot-Rot gute Arbeit leistet.

Seit einem Jahr leidet der Senat in den Meinungsumfragen an schwindender Akzeptanz, auch wenn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) beteuert, dass er weiß, wie die Stadt tickt – und dass es Berlin gut geht. Die Berliner Sozialdemokraten sind auf Talfahrt und das liegt nicht nur am Bundestrend. In zwei Jahren wird das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Bis dahin muss die rot-rote Koalition verlorenes Terrain zurückerobern – oder die Wahl verloren geben.

BILDUNG

Nach mehreren Anläufen will der Senat am Dienstag die Schulstrukturreform beschließen. Anschließend muss sie aber auch umgesetzt werden. Das Geld dafür ist da. Ob junge Lehrer in Berlin künftig besser bezahlt werden können, ist noch offen. Ebenso die Verbesserung der Rahmenbedingungen an den Schulen in sozialen Brennpunkten der Stadt. Unter dem Eindruck eines Volksbegehrens hat Rot-Rot auch versprochen, die Kitas personell besser auszustatten und die Erzieher zu qualifizieren. Vielen Eltern gehen die gemachten Zusagen nicht weit genug.

GESUNDHEITSWESEN

Für die Ertüchtigung des Uni-Klinikums Charité („Masterplan 2015“) stehen zwar die Gelder zur Verfügung, aber es fehlt ein Konzept für die künftige Standortverteilung und die Zusammenarbeit mit dem landeseigenen Krankenhauskonzern Vivantes. Das wird frühestens im Herbst vorliegen.

DEMOGRAFISCHER WANDEL

Der Senat hat ein Demografiekonzept vorgelegt, muss dem dicken Papier aber noch Leben einhauchen. Dabei geht es nicht nur um Altenhilfe und Pflege, sondern auch um altersgerechtes Wohnen, Familienfreundlichkeit, Mobilität für Alte und Junge und Generationengerechtigkeit.

BAUEN UND PLANEN

Auch das ist ein weites Feld. Es beginnt bei den umstrittenen Konzepten für die Gestaltung des ehemaligen Flughafens Tempelhof, einschließlich der Öffnung von Randbereichen ab September für Sport und Freizeit und die Beseitigung von Altlasten. Es setzt sich fort über die Nachnutzung des Flughafens Tegel, die Entwicklung von Mediaspree, die Bebauung des Areals um den Hauptbahnhof samt einer staatlichen Kunsthalle, bis zum Umbau der City-West (Zoopalast, Bikinihaus usw.) und -Ost (Spittel- und Molkenmarkt, Marx-Engels-Forum usw.). Zu dem anspruchsvollen Programm gehören auch die termingerechte Eröffnung des Internationalen Großflughafens in Schönefeld (BBI) im November 2011, die Sanierung des Internationalen Congress Centrums (ICC), der Abriss der Deutschlandhalle und die Sanierung von Staatsoper und Komischer Oper. Viele Projekte, auch der Bau einer neuen Landesbibliothek am Tempelhofer Damm, reichen weit in die nächste Legislaturperiode hinein, die 2011 beginnt.

VERKEHR

Seitdem die S-Bahn einen Radschaden hat, wird in Berlin über die Zukunft dieses wichtigen und traditionsreichen Transportmittels diskutiert. Zudem muss der Senat die finanzielle Sanierung der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) voranbringen. 2010 stehen eine Überprüfung des Verkehrsvertrags und wohl ein Austausch des BVG-Managements an. Eine Herausforderung ist auch der Streit um die Verlängerung der Stadtautobahn A 100 vom Dreieck Neukölln bis zum Treptower Park. Nicht nur die Grünen, auch viele Sozialdemokraten und Linke sind gegen den Weiterbau der Autobahn, jedenfalls in der geplanten Form.

VERWALTUNG

Der Anwendungstarifvertrag für den öffentlichen Dienst („Solidarpakt“) läuft Ende 2009 aus. Das heißt, die Arbeitnehmer erhalten 8 bis 12 Prozent mehr Gehalt, müssen aber auch entsprechend mehr arbeiten. Die Gewerkschaften wollen mehr: Angleichung der Einkommen an das Bundesniveau und zwischen Ost und West. Das hält der Senat für nicht finanzierbar. Ab 24. August soll verhandelt werden. Schwierige Tarifgespräche stehen bevor, das Ergebnis könnte SPD und Linken die letzten Sympathien in der Berliner Verwaltung kosten. Außerdem steht eine Reform des zentralen Stellenpools an, der nur teilweise funktioniert. Personal wird weiter abgebaut, aber nicht immer an den richtigen Stellen. Manche Bürgerämter funktionieren gut, anderswo stehen die Leute Schlange. Aufgabenkritik und eine moderne Personalentwicklung – auch das ist für den Senat eine große Herausforderung.

VIELES ANDERE

Ein Berliner Integrationsgesetz wird vorbereitet, erste Entwürfe sind koalitionsintern umstritten. Die klimafreundliche Modernisierung der öffentlichen Beleuchtung kommt nur schleppend voran. Gleiches gilt für die lange versprochenen Mobilfunk-Blocker in den Haftanstalten, die Erleichterung islamischer Bestattungen oder die Kennzeichnung von Polizeibeamten. Und was ist aus der Idee geworden, Anteile an der Gasag zurückzukaufen? Über alledem steht die Wirtschaftskrise und deren Folgen für Sozialausgaben, den Arbeitsmarkt und die finanzielle Lage des Landes Berlin. Dies könnte zusätzlich auf die Stimmung drücken. Nicht ohne Grund sagte der SPD-Landeschef Michael Müller kürzlich seinen Genossen: „Es ist nicht selbstverständlich, dass wir regieren.“Ulrich Zawatka-Gerlach

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