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Leserdebatte: Migrantenquote ins Integrationsgesetz?

In wenigen Wochen will Berlin als erstes Bundesland ein Integrationsgesetz verabschieden. Migranten diskutieren kontrovers, ob es eine Quote bei Ämtern, Kitas und Schulen geben sollte. Wie denken Sie darüber? Diskutieren Sie mit!

Ob sie einen Migrationshintergrund hat? Emel Usta verdreht die Augen. „Der Begriff ist so ausgelutscht“, sagt sie. Die 23-jährige Berlinerin macht gerade eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin und reagiert allergisch auf den Begriff. „Mi – gra – tions – hintergrund“, sagt sie betont überdeutlich, „das sagt doch gar nichts über jemanden aus!“ Ustas Gesicht ist mit Blümchen und Schmetterlingen bemalt – sie ist auf dem Sommerfest der „Young Voice TGD“ fürs Kinderschminken zuständig. Der neue Jugendverein der Türkischen Gemeinde Deutschland will bei den Belangen der jüngsten Einwanderergeneration mitmischen. Rund 150 Jugendliche sind im Laufe des Samstags vorbeigekommen, Usta und die anderen Veranstalter sind zufrieden.

Die wenigsten der Jugendvertreter hier wissen allerdings, dass Berlin in wenigen Wochen ein Partizipations- und Integrationsgesetz verabschieden will, das viele von ihnen unmittelbar betrifft und eine enorme Sprengkraft haben kann. Nicht nur, weil Berlin damit das erste Bundesland wäre, das sich selbst gesetzliche Vorgaben bei der Integration von Einwanderern macht. Vor allem soll es „strukturelle Benachteiligung“ von Einwanderern abbauen und streift damit unwillkürlich das höchst umstrittene Thema Quoten.

Die Paragraphen sollen sicherstellen, dass interkulturelle Kompetenzen bei Bewerbungen einen höheren Stellenwert bekommen und „Menschen mit Migrationshintergrund“ in Ämtern, Kitas und Schulen stärker präsent sind als bisher. Eine Migrantenquote wird dabei zwar explizit ausgeschlossen, aber es werden Zielvorgaben entsprechend der Anteile in der Bevölkerung gemacht.

Am heutigen Montagabend will sich Integrationssenatorin Carola Bluhm (Linke) mit Migrantenvertretern treffen, um die Inhalte des kürzlich veröffentlichten Eckpunktepapiers zu diskutieren. Und es steht jetzt schon fest, dass sie mit einigen Details nicht einverstanden sind. Erster Streitpunkt ist die Definition der vom Gesetz betroffenen Gruppe: Sie wird im Papier enger gefasst, als es auf Bundesebene für „Menschen mit Migrationshintergrund“ der Fall ist. Die „Berliner Definition“ schließt „die deutschen Kinder von hier geborenen Ausländern oder Eingebürgerten – also die dritte Generation – nicht ein“, heißt es darin. Der Türkische Bund Berlin (TBB) hat dagegen Widerstand angemeldet. „Wir stellen fest, dass auch die sogenannte dritte Generation auf dem Arbeitsmarkt massiv diskriminiert wird“, sagt TBB-Sprecher Safter Cinar, dazu gäbe es zahlreiche Untersuchungen. „Wenn man sie nicht berücksichtigt, bekommt man ein schiefes Bild von der Lage.“ Cinar sieht es zwar als Dilemma, als Migrantenorganisation dafür einzutreten, dass auch die Jüngsten noch mit einem Migrantentitel versehen werden. „Viele haben die Debatte natürlich satt.“ Aber es sei noch zu früh, darauf zu verzichten.

Der Landesbeirat für Integrationsfragen, der das Gesetz Anfang 2009 vorgeschlagen hatte, sieht ebenfalls noch Mängel im Entwurf: „Das Papier sieht ein sehr schlankes Gesetz vor, viele Themen sind nicht reingekommen, die wir uns gewünscht hätten“, sagt Beiratsmitglied Tatjana Forner. So sei etwa nicht festgeschrieben, dass Integration „Pflichtaufgabe des Staates“ ist. Diese Formulierung hätte unter anderem die Folge, dass ein konstantes Budget für Integrationsarbeit bereitgestellt wird. „Wir müssen weg von der befristeten Einzelprojektfinanzierung, wie wir sie seit 20 Jahren haben.“

Eine eindeutig festgeschriebene Quote wollen die Migrantenvertreter allerdings nicht fordern. „Die momentane Rechtslage lässt das nicht zu“, sagt Safter Cinar, der eigentlich ein Befürworter von Quoten ist. Die Jugendlichen auf dem Kreuzberger Sommerfest unterscheiden sich auch hier von den Älteren. „Ich bin unbedingt für eine Quote“, sagt etwa die 20-jährige Funda Uyar. „Ich spreche perfekt Deutsch und werde immer noch für eine Ausländerin gehalten.“ Das bekomme sie vor allem bei Bewerbungsgesprächen zu spüren. „Mit abstrakten Zielgrößen kann man die Einstellung in den Köpfen der Leute nicht ändern.“

In wenigen Wochen will Berlin als erstes Bundesland ein Integrationsgesetz verabschieden. Migranten diskutieren kontrovers, ob es eine Quote bei Ämtern, Kitas und Schulen geben sollte. Wie denken Sie darüber? Diskutieren Sie mit!

Ferda Ataman

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