zum Hauptinhalt
327247_0_5fd00794.jpg

© dpa

Leserdebatte: Sollen Politiker bei Parteiwechsel ihr Mandat niederlegen?

Mit Rainer-Michael Lehmann haben in dieser Legislaturperiode fünf Berliner Abgeordnete ihre Partei oder Fraktion gewechselt. Haben sie dabei die Karriere oder den Wählerwillen im Blick?

Der plötzliche Wechsel des FDP-Politikers Rainer-Michael Lehmann zur SPD erhitzt die Gemüter. Welche Motive hat ein Politiker, über Nacht sein Büro auszuräumen, fragen sich viele Leser. Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt wirft dem Politiker politische Erbschleicherei vor. Lehmann habe seiner Partei aus wirtschaftlichen Gründen den Rücken gekehrt, da ihm der neue Chef der Liberalen im Abgeordnetenhaus Pfründe versagte. Der Politiker selbst begründete den Übertritt mit der "sozialen Kälte" der FDP.

Für die Sozialdemokraten konnte der fliegende Wechsel kaum zu einem günstigeren Zeitpunkt stattfinden: Der durch die Howoge-Affäre unter Druck geratene Genosse Ralf Hillenberg wurde aus der Fraktion ausgeschlossen, wodurch die knappe Mehrheit im Abgeordnetenhaus ins Wanken geriet. Hillenberg will sein Mandat trotz Protest seiner Partei weiter ausüben.

Fünf Abgeordnete wechseln ihre Partei

Mit dem Übertritt von Rainer-Michael Lehmann haben in dieser Legislaturperiode bereits fünf Mitglieder des Abgeordnetenhauses ihre Partei- und Fraktionszugehörigkeit geändert.

Den Anfang machte im vergangenen Jahr die SPD-Parlamentarierin Canan Bayram. Im Mai 2009 wechselte sie überraschend zu den Grünen. Sie war zehn Jahre zuvor in die SPD eingetreten, um sich für soziale und demokratische Politik einzusetzen. „Leider haben sich diese Erwartungen in den letzten Jahren immer weniger erfüllt", erklärte Bayram im vergangenen Jahr. Sie sei von der Bundes-SPD wegen der Verschärfung des Aufenthaltsrechts enttäuscht. Gegenüber den Grünen empfinde sie stärkere politische Gemeinsamkeiten.

Fast zur gleichen Zeit verließ der Haushaltsexperte Carl Wechselberg im Zorn die Linksfraktion, was Klaus Wowereits Regierungsmehrheit ins Wanken brachte. Wechselberg begründete seinen Schritt im vergangenen Jahr mit einem wachsenden Dissens zwischen der auf Realpolitik setzenden Berliner Linken und der Bundespartei. Vor allem Oskar Lafontaine stehe für eine „Radikalisierung“, die zu einem wachsenden Druck auch auf die Berliner Partei führe. Wechselberg nannte als Beispiele drei Entscheidungen der Berliner Linken: das Nein zum EU-Verfassungsvertrag, die Ablehnung des Konjunkturpaketes II und das Nein zur Erbschaftssteuerreform.

Abgeordnete führen inhaltliche Differenzen an

Nach einer vorübergehenden Krise für Rot-Rot änderten sich die Verhältnisse allerdings wieder etwas zugunsten der Regierungskoalition: Die Grünen-Abgeordnete Bilkay Öney verließ ihre bisherige Fraktion in Richtung SPD. Sie begründete das unter anderem mit bundespolitischen Erwägungen: Sie wolle nicht indirekt „zur Wahlhelferin von Schwarz-Gelb auf Bundesebene werden“. Auch Wechselberg trat nach der Bundestagswahl in die SPD ein – und in deren Fraktion. Damit stärkt der abtrünnige Linke zugleich doch wieder das Regierungsbündnis.

Der vorletzte Wechsler war der CDU-Abgeordnete Rainer Ueckert. Nachdem er im vergangenen Herbst die Unionsfraktion verließ, wuchs der Vorsprung von Rot-Rot vor CDU, FDP und Grünen sogar auf vier Parlamentsmandate. Ueckert, der seitdem als Parteiloser im Abgeordnetenhaus sitzt, begründete seinen Ausstieg mit Differenzen in der Beurteilung der S-Bahn-Krise. (ho/lvt)

Was meinen Sie? Sollten Politiker wie Ralf Hillenberg oder Rainer-Michael-Lehmann ihr Mandat aus moralischen Gründen niederlegen, weil sie nicht mehr den Wählerwillen repräsentieren? Diskutieren Sie mit!

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false