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Ministerien-Umzug: Droht Bonn das endgültige Aus?

Neuer Aufwind für die Gegner von zwei Regierungssitzen in Bonn und Berlin: Die Ministerien können nach dem Gesetz in Eigenregie ihren Zweitsitz an die Spree verlagern.

Die Gegner von zwei Regierungssitzen in Berlin und Bonn haben neuen Aufwind bekommen. Als alternative Option zu einem Komplettumzug und der derzeitigen Aufteilung ist eine Teillösung ins Blickfeld gerückt: Das Finanzministerium hält einen zweiten Dienstsitz von Ministerien am Rhein nicht für zwingend erforderlich. Einzelne Ministerien könnten in eigener Regie ihren zweiten Standort in Bonn auch gänzlich aufgeben und an die Spree verlagern, lautet die Kernaussage einer neuen Stellungnahme. Dieser Spielraum sei im Rahmen des Berlin/Bonn-Gesetzes durchaus vorhanden.

Diese brisante Auslegung der Vereinbarungen durch die Bundesregierung bringt die Bonn-Verfechter unter neuen Druck. Es wird zwar nicht am großen Rad eines - nur mit einer Gesetzesänderung machbaren - Totalumzugs der gesamten Regierung gedreht, doch an einer kleinen Lösung mit Rutschbahn-Effekt: Ministerien könnten ihren Bonner Zweitsitz aus eigenen Erwägungen überflüssig machen.

Mehrheit gegen Komplettumzug

Erst vor drei Wochen hatte der Bundestag bei einem Antrag der Linkspartei mit großer Mehrheit aller anderen Fraktionen gegen einen Komplettumzug votiert. Die große Koalition hatte schon im Koalitionsvertrag vereinbart, nicht am Berlin-Bonn-Gesetz zu rütteln. In einem im April vorgelegten Gutachten des Innenministeriums war klargestellt worden, dass ein Komplettumzug dem Gesetz widersprechen würde. Jetzt geht es um gesetzeskonforme Organisationsfragen und um "Effizienzpotenziale".

In einer internen Stellungnahme aus dem Finanzministerium an den Haushaltsausschuss heißt es, dass "organisatorische Maßnahmen" bei Ministerien mit Berliner Erstsitz dazu führen könnten, "dass ein zweiter Dienstsitz in Bonn nicht mehr zu rechtfertigen und somit aufzugeben wäre". Nach dem Berlin-Bonn-Gesetz gebe es nur eine "Soll"-Vorschrift für einen weiteren Dienstsitz in Bonn. Eine Abweichung "dürfte mit der geltenden gesetzlichen Regelung vereinbar sein". Allerdings müsse es auch eine Gesamtabwägung geben, wobei besonders die festgeschriebene "faire Arbeitsteilung" zwischen Bonn und Berlin zu berücksichtigen sei.

Als beispielhaft für den Spielraum zu einem Abbau in Bonn wurde vom Haushaltsausschuss bereits das Justizministerium angeführt. Durch die Errichtung des Bundesamtes für Justiz - eine nachgeordnete Behörde - sei die Zahl der Mitarbeiter am zweiten Dienstsitz bereits weitgehend reduziert worden.

Einstellungsstopp für die Bonner Zweitsitze?

Bereits im Gutachten des Innenressorts hieß es, die Vorschriften des Gesetzes hätten "ganz überwiegend keinen zwingenden Charakter" und die "weitere Abschichtung" von ministeriellen Aufgaben falle in die "Ressortselbstständigkeit". Das Gesetz stehe "weder einer weiteren Verlagerung ministerieller Kernaufgaben nach Berlin noch der verstärkten Ansiedlung vorwiegend verwaltender Aufgaben in Bonn entgegen".

In Bonn sind sechs Ministerien mit erstem Sitz angesiedelt: Agrar, Verteidigung, Umwelt, Entwicklung, Bildung, Gesundheit. Alle anderen Ressorts unterhalten einen Nebensitz. Insgesamt arbeiteten 2006 am Bonner Dienstsitz aller Ministerien noch 9148 der insgesamt 17.874 Regierungsmitarbeiter - also mehr als in Berlin mit 8726 Beschäftigten.

Haushaltspolitiker von Union und SPD haben immer wieder die Arbeitsteilung mit den zwei Regierungssitzen als ineffizient und zu teuer angeprangert. Im Zuge des neuen Berichts aus der Regierung haben sie sich nach Informationen der "Kölnischen Rundschau" darauf verständigt, einen Einstellungsstopp für die Bonner Zweitsitze zu fordern. Das komme einem "Aushungern" gleich und werde bewusst als Einstieg in den Rutschbahn-Effekt nach Berlin verstanden, schrieb die Zeitung. Von Edgar Bauer, dpa

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