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Mit neuer Energie: Berlin will im Bundesrat Atomausstieg fordern

Berlin bietet Tokio Hilfe an und will am Freitag im Bundesrat den Atomausstieg fordern. Die Grünen fordern, stärker als bisher auf erneuerbare Energien setzen und Strom zu sparen.

Auch wenn die japanische Katastrophenregion knapp 9000 Kilometer von Deutschland entfernt ist – am Donnerstagnachmittag schien das Atomkraftwerk Fukushima der Berliner Landespolitik eine Stunde lang ganz nahe. Zwischen Debatten über Sportwettlokale, Schulpolitik oder das neue Seniorenmitwirkungsgesetz ging es im Abgeordnetenhaus um die politischen Folgen des Erdbebens und der drohenden Kernschmelze. Dabei wurde klar, dass sich die Redner aller Parteien zwar einig sind im demonstrativen Mitgefühl für die Opfer der Katastrophe – bei der Frage der politischen Bewertung ging aber eine tiefe Kluft durch das Parlament.

Auf der einen Seite stehen SPD, Linke und Grüne, die der schwarz-gelben Bundesregierung schwere Vorwürfe wegen ihrer Atompolitik machten. Redner der Berliner Regierungsparteien und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kündigten an, am heutigen Freitag im Bundesrat eine Stellungnahme zu unterstützen, mit der die Bundesregierung aufgefordert wird, die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke zurückzunehmen. Berlin schließt sich damit einer Initiative Nordrhein-Westfalens an, die auch zum Ziel hat, die acht ältesten Atomkraftwerke Deutschlands stillzulegen und ein „langfristig tragfähiges Energiekonzept zu entwickeln“, wie Wowereit sagte. Die Vorfälle in Japan hätten gezeigt: „Die Atomkraft ist nicht beherrschbar, die Schäden werden Generationen von Menschen belasten.“ Er habe deswegen einen Brief an Shintaro Ishihara geschrieben, den Gouverneur von Berlins Partnerstadt Tokio, in dem er die Solidarität und Hilfe Berlins angeboten habe. Das jetzt von Kanzlerin Angela Merkel verkündete dreimonatige Moratorium für ausgewählte Kraftwerke kritisierte Wowereit als „Ankündigungspolitik“. Das vorübergehende Abschalten der Kraftwerke könne die aus seiner Sicht überfällige Neuausrichtung der deutschen Energiepolitik nicht ersetzen.

Vor allem die Grünen nutzten die Debatte, um darauf hinzuweisen, was man auch in Berlin tun kann, um die Energiewende herbeizuführen, wie Fraktionschef Volker Ratzmann deutlich machte. Das Ziel sei der „schnelle, unumkehrbare Ausstieg“ aus der Nutzung der Atomkraft. Berlin könne diesen Prozess unterstützen, stärker als bisher auf erneuerbare Energien setzen und Strom sparen. „Jedes Megawatt, das wir durch mehr Effizienz hier einsparen, muss weniger produziert werden“, sagte er und forderte vom Senat ein Klimaschutzgesetz, mehr Kraft-Wärme- Kopplung und mehr dezentrale Wärmeversorgung. Ratzmann appellierte an den Energieversorger Vattenfall, komplett auf erneuerbare Energie umzusteigen.

CDU-Landes- und Fraktionschef Frank Henkel fiel die undankbare Rolle zu, die Atomkraft zu verteidigen. Der deutsche Energiemix sei zu einem Viertel „auf Kernenergie angewiesen“, sagte Henkel. „Das kann nicht über Nacht abgeschaltet werden.“ Atomkraft bleibe aus Sicht seiner Partei eine „Brückentechnologie“. Nun sei „die Brücke instabiler geworden“, aber absolute Sicherheit gebe es nun mal nicht. Auch FDP-Chef Christoph Meyer wandte sich gegen die verbreitete Ablehnung der Atomkraft: „Deutschland braucht erst eine Sicherheitsanalyse, dann kann man weitersehen“, sagte er. Grünen und Linken warf er vor, sie schürten mit ihrer Forderung nach einem sofortigen Atomausstieg die Ängste der Menschen.

Aus Sicht der Linken sind Positionen wie die von CDU und FDP eine „Verhöhnung“ der Opfer der Katastrophe, wie der Vorsitzende der Linksfraktion, Udo Wolf, sagte. Es spreche „nichts“ gegen einen Atomausstieg. Berlin habe sich deshalb Ende Februar der Verfassungsklage gegen die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke angeschlossen. SPD-Chef Michael Müller betonte, dass der Senat bei öffentlichen Aufträgen bereits seit Jahren auf Atomstrom verzichte und ökologische Standards von Geschäftspartnern einfordere. Auch mit dem geplanten Öko-Stadtwerk leiste man einen Beitrag zur Energiewende. Als er ergänzte, man habe als Bundesland aber noch einiges zu tun, gab es spontan lauten Applaus der kompletten Grünen-Fraktion. Lars von Törne

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