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Parteitag der Linken: Lafontaine fordert zur Geschlossenheit auf

Der Linke-Vorsitzende Oskar Lafontaine hat seine Partei unter dem Eindruck interner Querelen auf einen gemeinsamen Kampf um Wählerstimmen für die Bundestagswahl eingeschworen. Beim Parteitag in Berlin wollen 562 Delegierte am Sonntag ihr Programm verabschieden.

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„Wir wollen mehr Freiheit und Demokratie wagen“, ruft Oskar Lafontaine am Ende seiner 75-minütigen Rede in die Max-Schmeling-Halle in Berlin. Die Anleihe bei Willy Brandt sollte wieder mal seine neuen Genossen freuen – und die alten ärgern. „Mehr Demokratie wagen“ wollte schon der 1969 gewählte Bundeskanzler in seiner ersten Regierungserklärung. Eine Rede, die damals eine Aufbruchstimmung im ganzen Land auslöste, wie Historiker verzeichnen.

Ob der Linken- Chef dem Parteitag den Schwung und die Aufbruchstimmung gebracht hat, die viele von ihm verlangen, ist die nächste Frage. Wie gelähmt erschien die Partei seit Monaten selbst eigenen Anhängern, die Schlappe bei der Europawahl hatte viele zusätzlich frustriert. Lafontaine geht nur am Rande auf den innerparteilichen Zwist ein: Nicht streiten Seit’ an Seit’, sondern „fighten Seit’ an Seit’“ solle die Linke, sagt er. Und schimpft auf diejenigen in den eigenen Reihen, die zuletzt wegen zu radikaler Forderungen Kritik geäußert haben.

Sehr wohl will auch Lafontaine einen Mindestlohn von zehn Euro, wie er im Entwurf des Wahlprogramms vorgesehen ist. Das einzige Zugeständnis an die Reformer aus den ostdeutschen Landesverbänden, die für mehr Realismus plädiert hatten, besteht darin, dass dieses Ziel nicht sofort, sondern binnen der nächsten Wahlperiode umgesetzt werden soll. Wer in der Mindestlohnforderung der Linken eine „schlimme Radikalisierung sieht, ist nicht auf der Höhe der Zeit“, ätzt der Parteichef.

Doch wie eine Reihe anderer Fragen wird auch dieser Streit nicht kontrovers ausgetragen, wenn an diesem Sonntag über das Wahlprogramm abgestimmt wird. Die brandenburgische Fraktionschefin Kerstin Kaiser, eine der Wortführerinnen der Reformer, wirbt lediglich für eine „möglichst flexible“ Formulierung, mit der Parteifreunde aus Ost und West leben können. Ganz ähnlich soll der Streit zur Außenpolitik beigelegt werden. In seiner Rede fordert Lafontaine, die Nato müsse durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands ersetzt werden, das sich an Frieden und Abrüstung orientiere. Der linke Flügel hätte es gern plakativer – Nato auflösen ohne Wenn und Aber. Schon vor dem Parteitag hatte Fraktionschef Gregor Gysi verlangt, dem vorliegenden Programmentwurf sollten die Delegierten „im Kern“ zustimmen. In den 100 Tagen bis zur Bundestagswahl will die Parteiführung nicht länger Streit.

Die Angst, dass die Linke auseinander- fällt – Sektierer im Westen, Volkspartei im Osten – bewegt noch auf dem Parteitag in Berlin viele Genossen. Eine Gruppe von 38 wichtigen Funktionären übersandte den Delegierten einen Aufruf, wonach sich die Partei endlich um „reale Veränderungen“ und die „Lage der Menschen“ kümmern solle: „Wir wollen, dass die Linke tatsächlich zusammenwächst – über die Grenzen zwischen Strömungen und zwischen Ost und West hinweg“. Die Partei dürfe sich „in der Krise nicht auseinandertreiben lassen“.

Lafontaines Strategie gegen die Misstöne: Nicht viel drüber reden, stattdessen mit lautstarken Forderungen punkten. In seiner Parteitagsrede macht er lange Ausführungen zu einer „Wirtschaft der freien Menschen, die auf Unterdrückung und Ausbeutung verzichtet“. Er geißelt die „Profiteure des Finanzkapitalismus“ als asozial. Dem „neoliberalen Block“ der „Hartz-IV-Parteien“ – von CDU/CSU über FDP und SPD bis zu den Grünen – wirft er vor, sie hätten „den Finanzhaien den roten Teppich ausgerollt“. Sein Gegenmodell: die Beteiligung der Beschäftigten an den Betrieben, für ihn sogar besser als die Verstaatlichung von Unternehmen.

Radikal findet Lafontaine sein Programm nicht. Er behauptet sogar, dass es regierungstauglich sei. „Wir verweigern uns nicht einer Regierungszusammenarbeit“, sagt er an die Adresse der Sozialdemokraten. Die SPD habe den „törichten Beschluss gefasst, nicht mit uns zusammenzuarbeiten, sie hat damit ihr eigenes Programm in den Mülleimer geworfen“.

Was Lafontaine wurmt: Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier haben nicht die geringste Lust auf Deals mit ihm. Am Vorabend des Parteitages räsonierte der Parteivorsitzende noch bei einem Glas Wein, wie lustig es wäre, wenn die SPD jetzt die große Koalition aufkündigen würde, um ein Linksbündnis zu schmieden. Gerhard Schröder hätte sich in seinen besten Jahren auf so ein Spielchen eingelassen, meint Lafontaine.

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