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Politische Stimmung: Rot-Rot kommt aus dem Knick

Erst Pleiten, Pech und Pannen - aber ein Jahr nach der Wahl bestätigen die Meinungsumfragen eine wachsende Zufriedenheit mit dem Berliner Senat. Aber auch die Union erholt sich etwas.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ein Jahr nach der Abgeordnetenhauswahl, das turbulent und überraschend verlief, präsentiert sich Rot-Rot II wieder in einer besseren Verfassung. „Die SPD hat sich als führende politische Kraft in der Hauptstadt behauptet“, sagt der SPD-Landeschef Michael Müller. „Wir sind stabiler und selbstbewusster geworden“, bilanziert Klaus Lederer, der an der Spitze der Linkspartei in Berlin steht. Dann erlaubt er sich noch einen Seitenhieb: „In den ersten Monaten hatten wir manchmal Zweifel, ob die SPD noch regierungsfähig ist.“

Das lag wohl auch an der Wucht der Ereignisse, die nach der Wahl am 17. September 2006 auf Berlin einstürmten. Gammliges Fleisch tauchte auf. Im Oktober lehnte das Bundesverfassungsgericht die Haushaltsnotlage-Klage des Senats ab. Dann eskalierte der Streit, ob und wann der Flughafen Tempelhof zu schließen sei, und zu Beginn des Jahres 2007 setzte die Opposition durch, dass Wolf Biermann Ehrenbürger der Stadt wurde. Kaum hatte die Regierung Atem geschöpft, brach über die Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) der sogenannte Medikamentenskandal herein. Es folgten weitere Affären zu ihren Lasten.

Aber im Zentrum der Kritik stand der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der im November 2006 erst im zweiten Wahlgang und mit denkbar knapper Mehrheit wiedergewählt wurde. CDU, Grüne und FDP warfen ihm gemeinsam vor, in den Verhandlungen mit dem Bund über die Finanzierung der Hauptstadt falsche Töne anzuschlagen und die Vorschläge des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) zur Entschuldung Berlins zu ignorieren. Der neue Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) wiederum geriet wegen des Unterrichtsausfalls an den Schulen in die Schusslinie.

Damit nicht genug: Munter gestritten wurde über den Nichtraucherschutz und die City-Umweltzone, über Jugendgewalt und Kinderschutz, über ein Riesenrad am Zoo und den Bau von Moscheen, über das Schicksal des ICC und ein neues Kohlekraftwerk, das Vattenfall bauen will. Eine politische Baustelle reihte sich an die nächste. Dies sei ein Senat von Pleiten, Pech und Pannen, höhnte damals der CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger in der Hoffnung, mit einem oppositionellen Jamaika-Bündnis die Koalition ins Wanken zu bringen. Zumal die PDS, wegen der Verwandlung in eine neue Partei namens „Linke“, eine Weile mit sich selbst zu tun hatte.

Doch irgendwie kam es anders. Der Wirtschaftsaufschwung, neue Ansiedlungen und weniger Arbeitslose verbesserten die Stimmungslage spürbar. Das gilt wohl auch für die Sanierung des Haushalts, der ab 2008 ohne neue Kredite auskommt. Und der Regierende Bürgermeister konnte weitere Erfolgsmeldungen verkünden: Etwa den Wiederaufbau des Stadtschlosses ab 2011 oder eine Exzellenzinitiative für die Berliner Hochschulen. Aus mancher Baustelle wurde ein brauchbares Projekt. Sei es das Netzwerk Kinderschutz, liberale Ladenöffnungszeiten oder die professionelle Suche nach einem neuen Image für Berlin.

Was immer dafür verantwortlich sein mag: Die Meinungsumfragen bestätigen, dass sich das Ansehen der zeitweise schwer angeschlagenen rot-roten Landesregierung allmählich verbessert. Die Berliner Sozialdemokraten haben das Tal der Tränen, jedenfalls in den Umfragen, verlassen und sich sogar vom Abwärtstrend der Bundespartei abkoppeln können. Die Linke und die Grünen konnten ebenfalls zulegen, voll im Einklang mit dem Bundestrend. Auch die Union hat sich etwas erholt, muss aber damit leben, stets 15 Prozent hinter den guten Meinungsumfragen der Bundespartei zu liegen. Die Landes-FDP balanciert erstmals seit 2001 wieder auf der Fünf-ProzentGrenze. Ulrich Zawatka-Gerlach

Politbarometer
Politische Stimmung in Berlin -

© Tsp

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