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Pro Reli: Das Schweigen der Muslime

In den meisten Moscheen wird die Initative Pro Reli ignoriert – dabei geht es auch um den Islamunterricht. Bloß nicht auffallen, heißt für viele das Motto.

Das Volksbegehren Pro Reli kämpft nicht nur für christlichen Religionsunterricht als schulisches Pflichtfach, sondern auch für jüdischen und islamischen Religionsunterricht. Dennoch hat man den Eindruck, als handle es sich um ein rein christliches Anliegen. Denn es gibt kaum muslimische Partner, die das Volksbegehren unterstützen. Lediglich die Ditib, ein Ableger des türkischen Religionsministeriums, der in Berlin 13 Moscheen betreibt, sammelt Unterschriften für Pro Reli. Viele sind nicht zusammengekommen.

„Wir sind passiv geblieben“, sagt Ender Cetin, Sprecher der Berliner Ditib. Der Grund für die Passivität sei, dass sich nur deutsche Staatsbürger an dem Volksbegehren beteiligen dürfen, in den Moscheevereinen aber mehrheitlich ältere Menschen engagiert seien, die den türkischen Pass besitzen. Der Altersdurchschnitt in den Ditib-Moscheen sei 50 plus. Auch habe man sich Sorgen gemacht, dass das Volksbegehren zu politisch sei und man sich durch zu viel Engagement Ärger einhandeln könne. Die Ditib aber wolle politisch neutral sein, in der Türkei wie in Deutschland. Dass die Organisation das Volksbegehren überhaupt offiziell unterstützt, sei Verdienst der wenigen Jüngeren in den Moscheen.

In Berliner Moscheevereinen, die nicht zur Ditib gehören, bei der Türkischen Gemeinde oder dem Türkischen Bund, kann man überhaupt nur wenig mit der Institution „Volksbegehren“ anfangen. Diese Erfahrung hat auch Jürgen Holz gemacht. Er ist Jurist und vor vielen Jahren zum Islam konvertiert. Bei der Initiative Pro Reli ist er für den Kontakt zur muslimischen Gemeinschaft zuständig. „Ich habe viele angesprochen, aber es ist sehr schwer, Muslime zur Mitarbeit bei der Initiative zu gewinnen“, sagt er. Es sei sehr viel mehr Aufklärung nötig als bei anderen Gruppen. Auch sei die muslimische Gemeinschaft in Berlin sehr zersplittert, was ein konzertiertes Auftreten erschwere. Viele Muslime seien Ausländer und hätten Angst, etwas falsch zu machen in Deutschland. Bloß nicht auffallen, sei für viele das Motto, sagt Holz. Und die gut integrierten Muslime, meist Akademiker, hätten sich ins Privatleben zurückgezogen und seien völlig apolitisch. Es werde wohl noch ein paar Generationen dauern, bis sich ein Bewusstsein bei den hier lebenden Migranten herausbilde, dass man mit bürgerschaftlichem Engagement in Deutschland einiges bewegen könne.

Es gibt aber auch muslimische Organisationen, die das Volksbegehren Pro Reli aus machttaktischen oder inhaltlichen Gründen ablehnen. So sei der Vorstand der Islamischen Föderation in Berlin zweigeteilt, was die Haltung zu Pro Reli angehe, sagt Burhan Kesici, der Sprecher der Föderation. Die Föderation erteilt an zwei Dutzend Grundschulen islamischen Religionsunterricht, den die Schüler freiwillig besuchen können. Etliche in der Föderation fürchteten, das Volksbegehren wolle die Rechte der Föderation beschneiden, sagt Kesici. Denn man bezweifle, dass Muslime und insbesondere die Föderation bei der Konzeption und Durchführung eines staatlichen islamischen Religionsunterrichts einbezogen würden. Die Befürworter in den eigenen Reihen würden hingegen argumentieren, dass ein staatlicher Religionsunterricht mehr Kinder erreiche als ein freiwilliges Fach.

Lydia Nofal vom Verein Inssan lehnt das Volksbegehren ab – einfach weil sie das Pflichtfach Ethik gut findet. In einer multireligiösen Stadt wie Berlin sei es wichtig, dass alle Kinder im Ethik-Unterricht auf einer gemeinsamen Basis lernten, Konflikte zu lösen. „Wer mag, kann ja freiwillig in den Religionsunterricht gehen.“ Die Initiative Pro Reli will bis 21. Januar 170 000 Unterschriften für ein Wahlpflichtfach Ethik/Religion sammeln. Dann kann es im Sommer einen Volksentscheid geben. Bislang hat die Initiative nach eigenen Angaben 150 000 Stimmen beisammen. Claudia Keller

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