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Pro Reli: Drei türkische Verbände gehen auf Gegenkurs

Türkischer Bund, Elternverein und das Kulturzentrum anatolischer Aleviten stellen sich gegen Pro Reli – und plädieren für einen "Sachunterricht"

Gut eine Woche vor der Abstimmung über den Volksentscheid über die Einführung von Religion als Wahlpflichtfach in Berliner Schulen haben sich drei türkische Verbände klar positioniert. Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB), der Türkische Elternverein und das Kulturzentrum Anatolischer Aleviten sprechen sich dafür aus, am 26. April mit „Nein“ zu stimmen.

Die Generalsekretärin des Alevitischen Kulturzentrums Devrim Deniz Nacar sagte, es gehe bei der Abstimmung um eine wichtige Grundsatzfrage. Im Ethikunterricht lernten die Schüler das Grundgesetz und die Grundwerte der Gesellschaft kennen. „Nur so kann multikulturelles Zusammenleben gewährleistet werden“, sagte Nacar, die in Kreuzberg Lehrerin ist. Man müsse den Leuten klarmachen, dass bei Erfolg der Volksabstimmung zwei Dinge wahlweise nebeneinander angeboten würden, die nicht vergleichbar sind. Religion sei ein Bekenntnisunterricht, der Glaubensinhalte vermittle, Ethik dagegen ein übergreifender Sachunterricht. In der Alevitischen Gemeinde würde das Thema rege diskutiert. Nacar schätzt, dass etwa 60 000 Aleviten türkischer Abstammung in Berlin leben. Etwa 50 Prozent seien Deutsche Staatsbürger, dürften also abstimmen.

Ethikunterricht sei wichtig, weil er in einem neutralen Rahmen den Schülern die Unterschiede der Völker klarmache, findet Tülay Usta, Vorsitzende des türkischen Elternvereins Berlin-Brandenburg. „Wahlfreiheit gibt es jetzt und nicht erst danach.“ Sie sei für das Nebeneinander von Ethik und Religionsunterricht und gegen „Wahlzwang“.

TBB-Sprecher Safter Cinar rief alle Berliner türkischer Herkunft dazu auf, gegen die Initiative „Pro Reli“ zu stimmen. Nach groben Schätzungen des Vereins dürften dies insgesamt zwischen 50 000 und 60 000 Wahlberechtigte sein. In einer Zeit, in der gerade Konservative den Verfall von Werten beklagten, sei verpflichtender Ethikunterricht umso wichtiger. Der Unterricht leiste einen wichtigen Beitrag zu einem respektvollem multikulturellem Zusammenleben in Berlin. Man müsse den Leuten klarmachen, dass es keine Abstimmung für oder gegen Religionsunterricht sei. Es gehe für die türkischen Eltern vielmehr darum, ob ihre Kinder gemeinsam mit anderen unterrichtet oder ausgegrenzt würden. Zudem kritisiere der TBB den allein von der Islamischen Föderation ausgerichteten islamischen Religionsunterricht. „Unser Vorschlag ist es , ein freiwilliges Fach Islamkunde einzuführen“, sagte Cinar. Das sei kein Bekenntnisunterricht, sondern ein Sachunterricht, der über alle verschiedenen Facetten und Richtungen des Islam informiere.

Andere muslimische Verbände hatten sich zuvor ebenfalls kritisch geäußert. So ist der Verein islamische Kulturzentren skeptisch, ob durch Pro Reli ein gemeinsamer islamischer Religionunterricht vorangebracht würde. Die islamische Föderation lehnt eine offene Unterstützung von Pro Reli ebenfalls ab.

Bislang hat sich mit der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) nur ein muslimischer Verband für die Initiative „Pro Reli“ ausgesprochen.

Florian Ernst

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