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Pro Reli: Juristen geben Pro-Reli-Aktivisten kontra

Gibt es einen Unterschied, ob der Staat den Religionsunterricht verantwortet oder eine Glaubensgemeinschaft? Dies wollten die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus wissen. Juristen des Parlaments kamen zu einer überraschenden Antwort.

Noch 40 Tage bleiben dem Volksbegehren „Pro Reli“, um sein Ziel von 170 000 Unterschriften zu erreichen. Doch jetzt gibt es einen Dämpfer vom wissenschaftlichen Parlamentsdienst: Ein ordentliches Unterrichtsfach Religion erhöhe die Kontroll- und Einflussmöglichkeiten des Staates kaum, lautet der Tenor eines Gutachtens der Parlamentsjuristen. Dem entgegen steht die Behauptung von „Pro-Reli“-Seite, dass man mit dem staatlichen Unterrichtsfach den Einfluss der umstrittenen Islamischen Föderation zurückdrängen könne. Landesschulrat Hans-Jürgen Pokall stellt die Grundaussage des Gutachtens allerdings in Frage.

Die Fraktion der Grünen hatte vom Parlamentsdienst wissen wollen, welchen Unterschied es macht, ob Religionsunterricht in Verantwortung der Glaubensgemeinschaften oder des Staates erteilt wird und zwar sowohl im Hinblick auf die Auswahl des Personals als auch im Hinblick auf die Inhalte. Das Gutachten, das dem Tagesspiegel vorliegt, stellt diese Unterschiede als eher marginal hin. So heißt es dort zwar, dass der Staat bei einem ordentlichen Unterrichtsfach für die Rahmenlehrpläne und Lehrbücher verantwortlich sei. Einschränkend wird aber angefügt, dass der Unterricht letztlich „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt wird“. Das ergebe sich aus dem Grundgesetz, wonach Religionsgemeinschaften „Inhalt und didaktische Form des Religionsunterrichts“ selbst bestimmen dürften.

An dieser Stelle kommen die Gutachter des Parlaments auf Berlin zu sprechen, wo der Religionsunterricht kein ordentliches Lehrfach ist. Eine „Gesamtbetrachtung“ aller Vorschriften zum Religionsunterricht in Berlin ergebe, „dass dieser zwar eine Aufgabe der Religionsgemeinschaften ist, aber in enger Zusammenarbeit mit den Schulen des Landes Berlin durchgeführt wird“. Insofern bestehe eine „partnerschaftliche Beziehung zwischen den Religionsgemeinschaften und dem Land Berlin“.

Durch diese „partnerschaftliche Beziehung“ erscheint es dem wissenschaftlichen Parlamentsdienst möglich, „dass der Religionsunterricht in Berlin einen vergleichbaren Standard erreicht wie in den Bundesländern, in denen er ordentliches Lehrfach ist“. Dazu trage im Übrigen auch bei, dass die Lehrer, die im Auftrag der Religionsgemeinschaften arbeiten, inzwischen ähnlich ausgebildet sein müssten wie staatliche Lehrer.

Und noch ein weiteres Argument von „Pro Reli“ entkräftet das Gutachten: Während die Initiative stets behauptet, den staatlichen Unterricht könne man leichter kontrollieren, betont der wissenschaftliche Parlamentsdienst, dass die Schulleiter auch in Berlin den Unterricht der Religionsgemeinschaften besuchen dürften, „wenn dies ihr für die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Schule oder zur Einhaltung des Schulgesetzes erforderlich erscheint“. Auch ohne besonderen Anlass könne der Unterricht kontrolliert werden – zumindest bei Religionsgemeinschaften, deren Unterrichtsangebot „noch nicht hinreichend verfestigt ist“.

„Das Gutachten zeigt, dass ,Pro Reli‘ mit seiner Behauptung irrt, dass bei einem staatlichen Fach ,Religion‘ die Einflussmöglichkeiten auf den Unterricht der Islamischen Föderation zunehmen würden“, steht für den grünen Bildungspolitiker Özcan Mutlu fest. Er bekräftigt sein Eintreten für das gemeinsame Pflichtfach Ethik, das den Austausch zwischen den Religionen und Schülern erst ermögliche.

Landesschulrat Hans-Jürgen stellt die Grundaussage des Gutachtens allerdings in Frage. „Bei einem staatlichen Unterrichtsfach ist der Staat der Herr des Verfahrens, da er die Prüfungsbedingungen für die Lehrämter erlässt und die Rahmenlehrpläne erarbeitet“, betont Pokall. Auch wenn dies im Benehmen mit den Religionsgemeinschaften passiere, sei das doch etwas gänzlich anderes, als wenn die Religionsgemeinschaften die eigentlichen Verfasser der Rahmenpläne seien, wie in Berlin üblich.

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