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Putzstreik: Vollkornbrot statt Klassenkampf

Die Reinigungskräfte in Berlin befinden sich im Warnstreik. Ihr Tarifvertrag ist ausgelaufen und sie fürchten Lohndumping. Die Linksfraktion im Bundestag hat die Streikenden eingeladen - auf ein paar Schnittchen und warme Worte.

Um zum hellen Saal mit den blütenweißen Tischen zu gelangen, müssen die streikenden Frauen und Männer einen langen, verschlungenen Weg zurücklegen. "So viele Gänge, so viele Türen", sagt eine der 20 Reinigungskräfte die an diesem Dienstagmorgen die Linksfraktion im Bundestag besuchen. Sie befinden sich im Warnstreik. Der Tarifvertrag im Putzgewerbe ist ausgelaufen. Es galt ein Bruttostundenlohn von 8,15 Euro. Vielen blieben fünf Euro netto.

Empfangen werden die Profiputzer von der linken Frontfrau Gesine Lötzsch und den neu gewählten Berlinern Stefan Liebich und Halina Wawzyniak. Auf drei Tafeln stehen Obstschalen, Schinkenplatten, Vollkornbrötchenkörbe. Die Streikdelegation ist ein wenig unsicher. In solchen Räumen waren sie noch nie – und werden sie vermutlich nie wieder sein. Stefan Liebich gibt den Mann von Welt: "Bedienen Sie sich ruhig!" Zögerlich greifen die Frauen nach den Speisen. "Wir als Linke stehen ja für einen Mindestlohn", ergreift Gesine Lötzsch das Wort. Und Liebich ergänzt: "Wir machen, was die Gewerkschaft nicht schafft." Schöne Motivation für die Besucher, alles Mitglieder der Gewerkschaft IG Bau.

Was die Abgeordneten nicht erwähnen: Innerhalb der Linken gibt es Streit. Den so genannten Pragmatikern um Liebich, will heißen: dem rechten Flügel der Partei, reichen vorerst 7,50 Euro Mindeststundenlohn. Die IG Bau fordert im aktuellen Tarifkampf fast neun Euro die Stunde, langfristig soll jeder zehn Euro verdienen. Und während der Streiks im öffentlichen Dienst Berlins forderten Liebich & Co vor allem Kompromissbereitschaft. Das wird der IG Bau kaum nützen. Am Dienstag jedenfalls zeigte man sich solidarisch. "Nach dem Abitur", erzählt Liebich, "habe ich mal eine Woche die Fußböden in ’nem Versicherungsbüro sauber gemacht, mit einem ... ähm..." Bodenpoliergerät, hilft eine der Frauen. Dass die Branche hart ist, wissen die Abgeordneten.

Obwohl ein TV-Team eine der anwesenden Kolleginnen zum völlig legalen Warnstreikauftakt begleitete, hat der Frau ihr Berliner Arbeitgeber gekündigt. Morgen gibt die Gewerkschaft bekannt, wie viele ihrer Mitglieder für einen Vollstreik gestimmt haben. Sicher seien mehr als 75 Prozent, heißt es. Dann muss schon ab kommende Woche mit Streiks gerechnet werden. Mehr als ein Drittel der fast 850.000 Reinigungskräfte bundesweit könnte dann die Arbeit niederlegen. In Berlin, wo rund 60.000 Frauen und Männer fegen und wischen, dürfte der Dreck dann vermutlich als erstens in Rathäusern und Parlamenten liegen bleiben. Der Staat beauftragt Privatfirmen und die lassen ihren Mitarbeitern rund vier Minuten um ein Abgeordnetenzimmer zu reinigen. "Das ist kaum zu schaffen", sagt eine Frau.

Die Gewerkschafter wollen auch mit anderen Parteien sprechen, leider herrsche bei der SPD derzeit Chaos. Bleibt noch der CDU-Sozialflügel. Wenn die Abgeordneten nur wüssten, wie wenig ihre Büroputzfrau verdient, wäre einiges anders, macht man sich Mut. Beim Verlassen des Bundestagsgebäudes muss die Streikdelegation an Wachleuten vorbei. Auch deren Tarifvertrag läuft aus, auch sie arbeiten bei einer vom Staat beauftragten Privatfirma. Für vier Euro netto die Stunde.

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