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Renate Künast: "Ich will, dass Berlin Klimahauptstadt wird"

Renate Künast baut auf den Jobmotor Green Economy und will einen wirtschaftlich betriebenen BBI. Im Gespräch mit Berlin Maximal erklärt die grüne Spitzenkandidatin auch ihren Politikstil und ihre Haltung zum S-Bahn-Chaos.

Frau Künast, was sind die fünf wichtigsten Themen der kommenden Legislaturperiode?

Berlin muss seine Potenziale nutzen, in der Bildungspolitik, für gute Arbeitsplätze, zukunftsfähige Wirtschaft und die Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Wir wollen mit einem neuen Politikstil, mit allen Menschen der Stadt einen Aufbruch für Berlin organisieren.

Seit Frühjahr 2010 gibt es den Masterplan Industrie. Wie viele Arbeitsplätze wollen Sie in diesem Sektor nach Berlin holen?

Der Masterplan war überfällig und ist ein guter Ansatz. Aber dieser Senat ist wirtschaftspolitisch zu passiv und verbraucht. Jetzt heißt es: Nicht nur reden, sondern handeln! Schließlich ist der Regierende Bürgermeister noch bis September im Amt. Der Industriestandort Berlin braucht konkrete und verbindliche Rahmenbedingungen, damit sich Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze entwickeln. Wir müssen schauen, welche Sektoren in Berlin wirklich wachsen. Vor allem aber weigert sich der Senat, den Wachstumsbereich Green Economy zu nennen. Dieser Bereich kann sich bundesweit verdoppeln.

Berlin könnte noch mehr rausholen. Ich habe zum Beispiel in Berliner Solarfirmen gesehen, dass da auch Jobs für Geringqualifizierte entstehen.

Wie wollen Sie Nachwuchs hier halten, der aufgrund des demografischen Wandels rar wird?9

Kultur- und Freizeitangebote stimmen in Berlin. Jetzt brauchen wir noch attraktive Arbeitsplätze für hier ausgebildete Menschen. Die Green Economy schafft Arbeitsplätze. Wenn Sie da Bewegung reinbringen, entsteht ein Jobmotor, der Denker und Entwickler mitnimmt, aber auch Menschen, die Sie für die Produktion brauchen, das zieht Jobs im Dienstleistungs- und Fertigungsbereich nach sich. Und bei der Gebäudesanierung gibt es ein Potenzial für Zehntausende neue Jobs. Es geht aber auch um Elektromobilität, Effizienztechnologie bei Wasser- und Abfallmanagement und nachhaltigen Tourismus. Ich will, dass Berlin Klimahauptstadt wird, ein Leuchtturm, der ein Anziehungspunkt dafür wird, wie Innovationsfreude, Wirtschaftskraft und soziales Miteinander zusammengehen.

Es gibt großen Nachholbedarf bei Bau und Infrastruktur. Was werden Sie da tun?

Seit Wochen jongliert der Regierende Bürgermeister in der Frage der Investitionen mit unzähligen Luftnummern. Wollen SPD und Linkspartei den Tierpark umgestalten oder eine Kunsthalle errichten lassen? Gibt es einen Nachschlag für die Charité, oder wird die Komische Oper saniert? Dagegen würde der Finanzsenator am liebsten gar keine Investitionen zulassen. Rot-Rot schafft verbal immer neue Projekte, die in ihrer Finanz- und Investitionsplanung nicht vorgesehen sind. Zunächst muss man fragen, welche Investitionen nötig sind. Wie zum Beispiel die Sanierung des ICC, um den Kongressstandort zu stärken. Und die Sanierung der Charité hat große Bedeutung für die Gesundheitswirtschaft in der Stadt.

Das Chaos im öffentlichen Nahverkehr Berlins scheint kein Ende zu nehmen. Brauchen wir ein neues Verkehrskonzept?

Rot-Rot hat sich auf die Bahn verlassen und war verlassen. Der Senat muss von dem einbehaltenen Geld von der S-Bahn bei anderen Anbietern Zug- und Busleistungen einkaufen. Wir müssen heraus aus der Abhängigkeit von der Bahn AG. Deswegen muss jetzt die Anschaffung neuer Züge und teilweise die Ausschreibung der Leistung vorbereitet werden. Sonst bleibt Klaus Wowereit der Nicht-Regierende Bürgermeister, der die S-Bahn nicht ins Rollen bekommt.

Welche Entschädigungsformen schweben Ihnen vor?

Entschädigungen sind das eine. Aber die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt wollen vor allem eines: Die S-Bahn muss wieder vernünftig rollen – für Berlin. Und eins geht gar nicht: Der rot rote Senat hat zum 1.Januar 2011 eine Fahrpreiserhöhung genehmigt, die angesichts des aktuellen Chaos blanker Hohn ist.

Klaus Wowereit muss diese Erhöhung rückgängig machen. Wie wollen Sie dem Berliner Mittelstand helfen ?

Es wird eine wesentliche Aufgabe der Stadt bleiben, qualitatives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu generieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Dabei kann Berlin auf einer soliden Basis kleiner und mittlerer Unternehmen aufbauen, die im Umwelt- und Klimaschutz sowie in der Metall- und Elektrobranche Tausende Arbeitsplätze bieten und hochwertige Produkte fertigen. Wir haben hier tolle Unternehmer, die im Senat keinen Ansprechpartner finden. Für Berlin müssen wir dem Mittelstand mit Wissenstransfer aus den Hochschulen, weniger Bürokratie und mehr Service aus der Verwaltung unter die Arme greifen.

Kommt mit Ihnen die Bettensteuer?

Angesichts der Berliner Haushaltslage muss allen klar sein, dass Haushaltskonsolidierung nicht allein Ausgabenkürzungen bedeuten kann. Berlin braucht Mehreinnahmen über eine aktive Wirtschaftspolitik und eben auch über Einnahmen aus einer Bettensteuer. Wenn man diese einführt, muss man prüfen, ob die Abgabe nach dem Hotelpreis gestaffelt werden könnte.

Wann steht das Konzept für die Nachnutzung von Tegel?

Auch dies ist ein Punkt, an dem der Senat in der Pflicht steht. Wir unterstützen die Planung eines Technologieparks ganz klar und werden dies aktiv betreiben. Aber wir sagen auch, die freien Flächen zwischen den Landebahnen werden für das Stadtklima wichtig sein. Unsere Stadt braucht auch Luft zum Atmen.

Viele Unternehmen bauen auf den BBI. Und Sie?

Wir brauchen einen interkontinentalen Flughafen, der wirtschaftlich betrieben wird. Der Flughafenplanung mangelt es aber an Transparenz, das belegt die Flugroutendebatte. Es müssen alle Fakten auf den Tisch. Das ist der Ausgangspunkt, um über Lärmschutz und Nachtflugverbot zu reden. Ein transparentes Verfahren wird dafür sorgen, dass alle Akteure den BBI auch unter Betrieb akzeptieren. So wird der Flughafen ein Erfolg für Berlin, das will ich.

Die Fragen stellte Constance Frey für Berlin Maximal

Zur Person: Renate Künast (55, Bündnis 90/Die Grünen) ist seit November 2010 Spitzenkandidatin für die Wahl zum Abgeordnetenhaus.

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