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Schulpolitik: 16.000 drücken sich vor der Schulbank

Berlin will seine Schulschwänzer endlich in die Schranken weisen. Rund 16.000 blieben im letzten Schuljahr dem Unterricht fern. CDU-Schulexperte Sascha Steuer fordert eine "zentrale Meldestelle" für Schulverweigerer.

Zum Beginn des neuen Schuljahrs bleiben an Berliner Schulen wieder zahlreiche Plätze leer. Viele Kinder und Jugendliche erscheinen nur sporadisch zum Unterricht - manche kommen gar nicht. Der Kampf gegen das Schwänzen stellt Schulen, Eltern und Behörden vor große Herausforderungen - mit einem Konzept tut sich Berlin aber schwer. Eine belastbare statistische Erhebung über die Zahl der Schulschwänzer liegt bislang nicht vor. Nach Expertenschätzungen fehlen rund zehn Prozent der bundesweit 12,4 Millionen Schüler jedes Jahr unentschuldigt im Unterricht.

In Berlin blieben 16.000 Schüler laut einer Statistik der Senatsschulverwaltung in der ersten Hälfte des Schuljahrs 2007/2008 unentschuldigt dem Unterricht fern. Darunter seien mehr als 650 notorische Schulverweigerer, die mehr als 40 Tage fehlten. Die tatsächlichen Zahlen dürften indes noch höher sein. Denn "im Rahmen der Entbürokratisierung" würden die Fehlzeiten an Grundschulen nicht mehr erfasst, hatte Bildungsstaatssekretär Eckart Schlemm im August in einer Stellungnahme eingeräumt.

"zentrale Meldestelle" für Schulverweigerer

Die Berliner CDU fordert angesichts der hohen Verweigerungszahlen ein schärferes Vorgehen gegen Schulschwänzer. CDU-Schulexperte Sascha Steuer bemängelt, dass ausschließlich mit pädagogischen Angeboten dem Problem nicht beizukommen sei. Steuer fordert von der Senatsbildungsverwaltung die Einrichtung einer "zentralen Meldestelle" für Schulverweigerung und verweist auf das Beispiel Hamburg. Dort habe sich diese Maßnahme als wirkungsvoll erwiesen.

Die Meldestelle könnte sich laut Steuer "als Rechtsstelle um mögliche Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Eltern kümmern", sollten diese nicht für den regelmäßigen Schulbesuch ihrer Kinder sorgen. Die dafür zuständigen Bezirksverwaltungen kämen ihrer Aufgabe nicht ausreichend nach.

Die Senatsbildungsverwaltung verweist in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage vom August auf das geltende Verfahren zur Überwachung der Schulpflicht. Demnach beginnen Maßnahmen bei Schulverweigerung "unverzüglich und spätestens nach drei Tagen". Wenn es den Schulen nicht gelinge, den Kontakt zu den Eltern aufzunehmen, stellten sie nach zehn Tagen eine Schulversäumnisanzeige an den Bezirk.

Polizei muss Schulpflicht durchsetzen
  
Im nächsten Schritt werde das Jugendamt eingeschaltet, unterstützt unter anderem vom sozialpädagogischen Dienst und den Jugendämtern der Bezirke. Reagieren die Eltern auch darauf nicht, könne der Bezirk binnen zwei Wochen ein Bußgeldverfahren einleiten. Im äußersten Fall "muss die Polizei die Schulpflicht durchsetzen" hieß es in der Antwort von Staatssekretär Schlemm.
Neue Wege gegen Schulverweigerung will dagegen die stellvertretende Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Marianne Demmer, gehen. Sie fordert "individuelle Lehrmethoden" an den Schulen. "Ein Lehrsystem nach dem Motto 'Friss oder stirb!' oder 'Im Gleichschritt marsch' bewährt sich nicht. Kinder und Jugendliche müssen die Schule als einen Ort wahrnehmen, an dem sie mit ihren individuellen Fähigkeiten zum Zug kommen", sagt Demmer.

Warum Schüler den Unterricht verweigern, lässt sich nach Ansicht der Schulexpertin nur individuell beantworten. Die Gründe seien "überhaupt nicht einheitlich, sondern außerordentlich vielfältig". Dass sich das Problem der Schulverweigerung besonders im Sonder- und Hauptschulbereich konzentriert, begründet sie mit der Perspektivlosigkeit der Schüler. Diese würden auch über einen möglichen Schulabschluss hinaus keine berufliche Zukunft für sich erkennen. Resignation sei die Folge.

"Das mündet im schlimmsten Fall in der Entstehung eines ganzen Resignationsmilieus", befürchtet Demmer. Die Bestrafung von Schulverweigerern mit Jugendarrest nach sächsischem Vorbild lehnt sie ab: "Das ist eine schulpolitische Bankrotterklärung." (eb/ddp)

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