zum Hauptinhalt
Sarrazin

© Wolff

Senat: Thilo Sarrazin, der Quartals-Rambo

Wenn er austeilt, ist keiner sicher: Berlins Finanzsenator Sarrazin hat ein gefährliches Talent für Sätze, die wie Fäuste ins Gesicht wirken. Längst werden nur noch die "besten" Ausrutscher gezählt.

Manchmal sitzt er auf seinem Senatorensessel im Plenarsaal des Parlaments und wirkt, wenn er in der Fragestunde angesprochen wird, wie ein desorientierter Professor. Manchmal hält er eine Rede und klingt, als suche er die richtigen Worte und finde sie nur über umständliche Formulierungen. Dann wieder sagt er Sätze, die wirken wie Fäuste im Gesicht. Von allen Berliner Sozialdemokraten ist Thilo Sarrazin der mit dem gefährlichsten rhetorischen Talent.

Wenn er austeilt, ist keiner sicher. Längst ist die Liste seiner Verbalinjurien so lang, dass bei der jüngsten Aufregung über den Senator nur noch die „besten“ Ausrutscher und Bosheiten zitiert werden. Sarrazin hat etwas von einem Quartals-Rambo: Wenn ihm der Politikbetrieb zu ruhig läuft, dann bringt er ihn auf Touren – und damit auch die ihn begleitenden, mit ihm regierenden Parteifreunde, die seinen Beleidigungen die Schärfe wieder nehmen müssen. Sarrazin traf schon Beamte („übelriechend“), Studenten („Arschlöcher“), Kulturschaffende („alternde Staatsschauspieler“) und Berlin als Ganzes, als er die Leistungskraft der Stadt mit der von Dortmund verglich und feststellte: „Wir leben im Jahr 1947.“

Jüngst frischte er eine öde Plenarsitzung durch eine Attacke auf Hartz- IV-Empfänger auf. Das zeigte deutlich, was den Mann so gefährlich macht, dass manche Parteifreunde seine Verdienste hinter den von ihm verursachten Kollateralschäden am Partei-Image gering schätzen. Ausgerechnet die Frage einer Linkspartei-Abgeordneten nutzte Sarrazin, um über Bezieher von Hartz IV herzuziehen, die sich ehrenamtlich engagieren: Die sollten ihre Energie besser zur Jobsuche nutzen, so Sarrazin leicht verkürzt.

Kurz vorher hatte schon der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit Hartz-IV-Beziehern nahegelegt, weniger zu rauchen und zu zechen, um mit dem Geld hinzukommen. Weil Wowereit aus kleinen Verhältnissen kommt, Armut kennt und darüber alle Welt informiert hat, nimmt man ihm solche Worte nicht übel. Sarrazin hat mindestens so viel Humor wie Wowereit, wirkt aber so, als sei ihm ein gewisser Abstand zur Welt der ganz kleinen Leute lieber. In seiner Welt verbringt man den Abend nicht vor dem Flachbildschirm oder in verschwitzter Atmosphäre beim Bier mit Genossen, sondern mit dem Studium historischer Werke. Der Mann hat seinen Kopf, die Parteiräson hat dort nicht immer Zutritt. wvb.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false