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Sozialpolitik: Pflegequalität gefährdet – AOK kündigt Vereinbarung

Bei 100 ambulanten Diensten werden Zusatzleistungen nicht mehr honoriert. Die Wohlfahrtsverbände befürchten nun eine schlechtere Versorgung der Patienten.

Unzureichende Hilfen bei der Versorgung mit Arzneimitteln, mangelhafte Unterstützung bei Inkontinenz oder Druckgeschwüren durch langes Liegen: Berlins Krankenkassen haben die ambulanten Pflegedienste in den vergangenen Tagen wegen vieler Mängel heftig kritisiert. Doch nun gefährdet die größte Kasse der Stadt, die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK), aus Sicht der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtsverbände selbst die Qualität der häuslichen Pflege. Denn zum Ende dieses Jahres hat sie eine „Qualitätsvereinbarung“ mit den 106 Pflegediensten der Freien Wohlfahrtspflege gekündigt, obwohl sich die erbrachten Leistungen aus Sicht aller Beteiligten seit der Vereinbarung erheblich verbessert haben.

Gemäß dieser Absprache erhalten die rund 100 betroffenen Pflegestationen der Wohlfahrtsverbände zur Zeit noch drei Prozent mehr Geld für erbrachte Leistungen, als ihnen normalerweise zusteht. Dafür erbringen die Pfleger zusätzliche Anstrengungen zugunsten der Patienten und arbeiten enger mit der Kasse zusammen.

Beschwerden von seiten der Kranken oder ihrer Angehörigen wird verlässlich und nachprüfbar nachgegangen, regelmäßig wird die Zufriedenheit der Patienten mit standardisierten Bögen erfragt. Um Druckgeschwüre zu vermeiden, werden zudem die Wundversorgung und die Umbettung der Patienten genauestens dokumentiert und an die Kassen zur wissenschaftlichen Auswertung weitergereicht. Auf diesem Wege will man die gefährlichen Folgen des langen Liegens noch besser vorbeugend in den Griff bekommen. Und schließlich müssen die Pflegedienste im Rahmen der Vereinbarung ihr Arbeits- und Fortbildungskonzept und die innerbetriebliche Qualitätskontrolle offenlegen.

Im Jahr 2001 hatte die AOK diese Qualitätsvereinbarung zusammen mit der Innungs-Krankenkasse (IKK) und den Knappschaftskassen allen 430 Pflegediensten in Berlin angeboten. Private, freie und kirchliche Träger gehörten dazu. Die Kassen sahen einen dringenden Handlungsbedarf, weil schon damals Pflegemängel beklagt wurden. Doch der dreiprozentige Zuschlag zur üblichen Leistungsvergütung war den meisten Anbietern zu gering, sie lehnten ab. Nur die Pflegedienste der Freien Wohlfahrtspflege, die rund 20 000 Berliner versorgen, ließen sich auf das neue Modell. Heute loben sie dessen Erfolg ebenso wie die AOK.

„Die Patienten profitieren davon, unsere Arbeit ist noch besser geworden“, sagt Hans-Joachim Wasel von den Wohlfahrtsverbänden. Durch die überraschende Kündigung sei es aber nun schwer, die Pfleger weiter zu motivieren. Wasel: „Die zusätzlichen drei Prozent der AOK sind doch der verdiente wirtschaftliche Ausgleich für höhere Anforderungen.“ Außerdem spare beispielsweise die Vermeidung von Druckgeschwüren den Kassen „viel Geld“. Diese müssten ansonsten teure Klinikaufenthalte zahlen.

Die AOK und die Knappschaftskassen argumentieren hingegen umgekehrt. Eine weitere Zusatzfinanzierung sei „überflüssig,“ heißt es, weil man das Ziel einer verbesserten Qualität bei den beteiligten Pflegdiensten erreicht habe. Nur die IKK hält an der Vereinbarung weiter fest.

Wie berichtet, hat der Medizinische Prüfdienst der Krankenkassen seit 2004 erhebliche Mängel bei der häuslichen Pflege in Berlin aufgedeckt. Bei 17 Pflegediensten waren die Beanstandungen derart gravierend, dass ihnen die Kassen kündigten. 65 weitere Dienste wurden heftig gerügt. Bei den betroffenen Stationen handelte es sich fast ausschließlich um private Anbieter.

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