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Sarrazin Wowereit

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SPD-Landesparteitag: Abrechnung mit dem Finanzsenator

Die Debatte der Genossen auf dem SPD-Landesparteitag zeigt: Finanzsenator Thilo Sarrazin hat fast jeden Rückhalt verloren. Der wiedergewählte Parteichef Michael Müller watschte ihn ab, ohne Namen zu nennen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ein rotes Transparent, unübersehbar: „Finanzsenatorin gesucht!“ Einige junge Genossinnen haben es ausgerollt, als der SPD-Landeschef Michael Müller auf dem Landesparteitag gestern den Parteifreund Thilo Sarrazin zusammenstauchte. „Wir akzeptieren nicht mehr, wenn Grundsatzpositionen der SPD über den Haufen geworfen und öffentlich dargelegt wird, dass man mit einem Knäckebrot und ein paar Tomaten überleben kann“, schimpfte Müller, ohne Namen zu nennen. Der Finanzsenator, der auf dem Podium saß, schaute zwar unbewegt in den Saal, fühlte sich aber angesprochen. Nachdem er im Monatsmagazin „Cicero“ kundgetan hatte, dass er für fünf Euro pro Stunde arbeiten würde, kämpft er im rot-roten Senat ums Überleben.

Er habe ja nichts dagegen, sagte Müller, wenn ein Senator für 800 Euro monatlich arbeiten wolle. „Aber hier geht es nicht um eine dusselige Bemerkung, sondern um Grundsätze der Sozialdemokratie.“ Damit meinte er: Ein Mindestlohn von 7,50 Euro und höhere Regelsätze für Hartz IV-Empfänger. „Wir kämpfen dafür, dass jeder vom Lohn seiner Arbeit menschenwürdig leben kann“, stellte der Berliner SPD-Chef klar. Es sei „eine Schande“, dass dies in Deutschland nicht für alle als Selbstverständlichkeit gelte. Der Beifall für Müller machte deutlich, dass Sarrazin momentan im SPD-Landesverband fast jeden Rückhalt verloren hat.

Immerhin schaffte es der Parteichef Kurt Beck die grimmige Stimmung aufzuhellen, als er eine Anekdote aus gemeinsamen Tagen erzählte. Beck kennt Sarrazin gut, der einst Finanz-Staatssekretär in Rheinland-Pfalz war. Zusammen wären sie auf einer Veranstaltung im Forstamt gewesen, so Beck. Und da habe Sarrazin den Mitarbeitern erklärt, „dass der Wald auch ohne Förster wächst“. Da lachten fast alle herzlich. Anschließend bat Beck die Genossen, es mit der Entschuldigung Sarrazins nach dem Fünf-Euro-Spruch gut sein zu lassen. „Wir können uns doch glücklich schätzen, dass wir so hervorragende Finanzpolitiker haben.“

Dieses Lob blieb unwidersprochen. SPD-Sozialpolitikerin Ülker Radziwill sagte: „Thilo macht eine gute Haushaltspolitik“. Aber dabei solle er es bewenden belassen „und uns nicht dauernd mit unglücklichen Äußerungen beglücken“. Der Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz drohte weniger freundlich. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit werde dafür sorgen, dass sich „die Eskapaden Sarrazins nicht wiederholen – so oder so“. Wowereit selbst sagte nichts zu Sarrazin, war aber sichtlich zufrieden mit Müllers klaren Worten.

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