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Landesparteitag der Berliner SPD in Berlin

© Davids

SPD-Landesparteitag: Wowereit ruft Genossen zur Bescheidenheit auf

Beim SPD-Parteitag hatten die Chefs zunächst Grundsätzliches zu klären – dann wurden Beschlüsse im Minutentakt gefällt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der SPD-Landeschef Michael Müller hat den Genossen ins Gewissen geredet. Die Berliner Sozialdemokraten müssten sich wieder bewusst machen, „dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir regieren“, sagte er am Sonntag zu Beginn eines SPD-Landesparteitags, der auch gleichzeitig Auftakt für die Europa- und Bundestagswahlen sein sollte. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ermahnte die Delegierten: „Wir brauchen eine starke Landespartei und eine starke Fraktion im Abgeordnetenhaus, aber ihr müsst auch eine starke Regierung zulassen.“ Und wenn der Senat einen Fehler mache, müssten die Konflikte intern ausgetragen werden. Alles andere nutze dem politischen Gegner. Die rot-rote Koalition stehe zwar, „aber wir haben überhaupt keinen Grund, selbstzufrieden durch die Gegend zu laufen“.

Müller kündigte die Fortsetzung des Sparkurses und gleichzeitig neue Investitionen an. In den nächsten Jahren hätten in der Berliner SPD Bildungs- sowie Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik Priorität. Auch während der Krise werde Berlin weiter investieren, und zwar nicht nur in den künftigen Hauptstadtflughafen. Dadurch würden neue Investitionen ausgelöst und Arbeitsplätze geschaffen. Als Beispiel nannte Müller einen neuen Standort für die Landesbibliothek. Was der parteilose Finanzsenator Ulrich Nussbaum, der auf dem Podium als Zuhörer zwischen den Senatoren saß, interessiert zur Kenntnis genommen haben dürfte.

Der Streit um die Besetzung von Führungspositionen in öffentlichen Betrieben wurde auf dem Parteitag in der Max-Taut-Aula in Lichtenberg gütlich beigelegt. Es ging um die Forderung der SPD-Frauen, Vorstandsposten auszuschreiben und weiblichen Bewerbern gleiche Chancen einzuräumen. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) war der Gleichstellungsgrundsatz ignoriert worden. Wowereit brachte die Genossinnen auf seine Seite, als er Fehler des Senats einräumte und sagte: „Wenn die Männer etwas nicht begreifen wollen, werden es die Frauen ihnen austreiben.“

Ein Parteitagsbeschluss untermauerte das Versprechen, Leitungspositionen künftig auszuschreiben. Die geschlechterparitätische Besetzung führender Posten müsse ohne Ausnahme betrieben werden. Dafür müssten das Landesgleichstellungsgesetz und die Satzungen der Landesbetriebe geändert werden. In der Schwebe blieb, ob die jüngste Besetzung eines BVG-Vorstandsamts mit einem Mann, ohne Ausschreibung, rückabgewickelt werden kann. Der Senat wurde aufgefordert, dies zu prüfen.

Auch sonst war die Streitlust auf dem SPD-Parteitag gebremst. Die Stimmung der Delegierten wirkte eher frühlingshaft aufgeräumt, zumal der Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zu Besuch kam. Er nutzte den Auftritt, um sich in die Herzen der Genossen zu reden. Berlin sei nun mal anders, sagte er. „Da ist niemand auf den Mund gefallen, die Berliner Sozialdemokraten sowieso nicht.“ Er sei sich sicher, fügte Steinmeier hinzu, dass die Berliner keinen anderen Regierenden Bürgermeister als Klaus Wowereit wollten. Der SPD-Landesverband sei die Hauptstadtpartei und stehe für das zusammenwachsende Berlin. Dagegen sei die Berliner CDU bisher nicht im Osten und die Linkspartei nicht im Westen angekommen. Am Ende der Rede erntete Steinmeier stürmischen Beifall und war sichtlich zufrieden. Noch vor wenigen Wochen waren die Berliner Sozialdemokraten ihrem Kanzlerkandidaten böse, weil er den Volksentscheid Pro Reli mit seiner Unterschrift unterstützt hatte.

Am frühen Abend wurden die SPD-Listenkandidaten für die Bundestagswahl am 27. September nominiert. Spitzenkandidat ist erneut Wolfgang Thierse, der wegen einer Grippe in Abwesenheit auf Platz 1 der Landesliste gewählt wurde. Die nächsten drei Plätze nehmen ein: Petra Merkel, Swen Schulz und Mechthild Rawert. Auf den Plätzen fünf und sechs setzten sich in Kampfabstimmungen Klaus Uwe Benneter und Jörg Stroedter durch.

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