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Streit um EU-Vertrag: Ein Eklat im Bundesrat wird immer wahrscheinlicher

Am Freitag stimmt der Bundesrat über den Europa-Reformvertrag ab. Dann geht es auch um die Zukunft der rot-roten Koalition in Berlin. Denn SPD und Linke kommen momentan auf keinen gemeinsamen Nenner.

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Kurz vor der Abstimmung im Bundesrat über den Europa-Reformvertrag bemühen sich SPD und Linke fieberhaft um Schadensbegrenzung. Momentan sieht es nämlich so aus, als wenn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Freitag gegen 10.30 Uhr mit Ja stimmt, Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) aber anschließend durch ein kräftiges Nein in der Länderkammer die Zustimmung Berlins zunichtemacht.

In diesem Fall zählt das Votum Berlins nicht mit, weil das Bundesverfassungsgericht bei Abstimmungen im Bundesrat von jedem Land eine einheitliche Stimmabgabe fordert. Im Dezember 2002 erklärten die Karlsruher Richter ein neues Zuwanderungsgesetz für nichtig, weil die Vertreter Brandenburgs, Manfred Stolpe (SPD) und Jörg Schönbohm (CDU), im Bundesrat erkennbar unterschiedlich abgestimmt hatten.

Einen vergleichbar peinlichen, bundesweit beachteten Auftritt würde Rot-Rot gern vermeiden. Aber die Koalitionspartner wissen noch nicht wie. Ein Gespräch zwischen den Fraktionschefs Michael Müller (SPD) und Carola Bluhm (Linke) verlief gestern ergebnislos. Nach seiner Rückkehr von einer Dienstreise in China schaltete sich auch Senator Wolf in den Konflikt ein. „Ich erwarte, dass die SPD koalitionstreu ist“, sagte er. Im Koalitionsvertrag steht: Wenn sich SPD und Linke nicht auf ein gemeinsames Abstimmungsverhalten einigen, enthält sich Berlin im Bundesrat der Stimme.

Wowereit will erst Donnerstagnacht endgültig entscheiden, wie er sich verhält. Zu einer Enthaltung neigt er offenbar nicht. Gestern war in seiner Umgebung viel von „Führungsentscheidung“, „realistischem Kurs“ und „Verantwortung für Berlin“ die Rede. Außerdem hat die Senatskanzlei in einem Papier die „konkreten Vorteile des EU-Vertrags von Lissabon für Berlin“ aufgelistet. Andererseits haben der Regierende Bürgermeister und die SPD-Führung, die Wowereit für ein Jawort den Rücken freihält, das Risiko eines Koalitionsbruchs noch nicht endgültig bewertet.

Ein Risiko, das nicht vollends von der Hand zu weisen ist. Zumindest droht, darauf weisen beide Seiten ausdrücklich hin, eine nachhaltige Beschädigung des seit 2002 bemerkenswert guten Koalitionsklimas. Die Linke steckt in einem besonderen Dilemma, weil am Wochenende ein Bundesparteitag in Cottbus stattfindet, der es den Berliner Genossen nicht durchgehen lassen wird, eine Zustimmung Berlins zum EU-Vertrag hinzunehmen.

Insbesondere Parteichef Lothar Bisky, der zugleich Vorsitzender der Europäischen Linken und designierter Kandidat für die Europawahlen 2009 ist, legt dem Vernehmen nach größten Wert auf eine klare, ablehnende Haltung der Linken zum EU-Reformvertrag – und das auch beim mitregierenden Berliner Landesverband.

Außerdem hat Harald Wolf den eigenen Leuten auf einem Landesparteitag im April persönlich die Enthaltung Berlins im Bundesrat zugesagt. Angesichts dieses starken Drucks und einer emotionalisierten Parteibasis bei der Linken sieht die SPD-Spitze kaum noch eine Chance, den Linken das Ja im Bundesrat durch großzügige Zugeständnisse bei anderen wichtigen Themen abzukaufen.

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