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Tempelhof-Initiative: Volksentscheid bindet den Senat nicht

Trotz eines Volksentscheides, in dem sich die Bürger für den Erhalt des Flughafens aussprechen, kann der Senat den Betrieb des City-Airports einstellen. Zum diesem Entschluss kommt ein aktuelles Gutachten.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ein erfolgreicher Volksentscheid für Tempelhof kann den Senat nicht zwingen, den City-Airport offenzuhalten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Matthias Rossi, das die Organisatoren des Plebiszits in Auftrag gaben. „Es gibt keine Rechtspflicht zur Umsetzung des Entscheids“, sagte Rossi gestern. Denn die Schließung des Flughafens falle in den Bereich des Verwaltungshandelns. Laut Verfassung können aber nur Gesetze vom Volk erlassen, geändert oder abgeschafft werden.

Ein Volksentscheid zugunsten Tempelhofs hätte lediglich „die Wirkung eines schlichten Parlamentsbeschlusses“. Das heißt: Es stünde eine „politische Willensentschließung des Volkes“ im Raum, die der Senat zur Kenntnis nehmen und „gegen die eigene Position abwägen“ müsse. Eine „direkte Sperrwirkung gegenüber entgegenstehendem Staatshandeln“ entstehe aber nicht. So interpretiert der Gutachter, Privatdozent an der Humboldt-Universität, eine Klausel in der Berliner Verfassung, die es nur in wenigen anderen Ländern gibt. Danach können Volksbefragungen auch darauf gerichtet sein, „zu Gegenständen der politischen Willensbildung, die Berlin betreffen, sonstige Beschlüsse zu fassen“. Die Initiatoren des Volksbegehrens, für das bis Februar 2008 etwa 170 000 Unterschriften gesammelt werden müssen, damit ein Volksentscheid stattfinden kann, wollen genau einen solchen „sonstigen Beschluss“ herbeiführen.

Rossi geht aber darüber hinaus: Alle Verfassungsorgane seien zu gegenseitiger loyaler Zusammenarbeit und Rücksichtnahme verpflichtet, auch wenn der Volksgesetzgeber im formellen Sinne kein solches Organ sei. Daraus ergebe sich, dass der Senat die Volksbefragung nicht unterlaufen dürfe, indem er den Flughafen entwidme und schließe, bevor das Plebiszit beendet sei. Und wenn der Senat auf einen erfolgreichen Volksentscheid gar nicht reagiert, will die „Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof“ (ICAT) beim Landesverfassungsgericht einstweiligen Rechtsschutz beantragen. Andererseits kündigte der ICAT-Chef Jürgen Peters an, dass die Klagen vor dem Oberverwaltungsgericht gegen die Entwidmung des Flughafens voraussichtlich zurückgezogen werden, wenn bis Februar 2008 nicht genügend Unterschriften für die Durchführung eines Volksentscheids zusammenkommen. 

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