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Umfrage: Wähler spielen Jo-Jo mit den Grünen

Nach einer Berg- und Talfahrt sind die Grünen laut Umfrage wieder stärkste Kraft in Berlin. Politikwissenschaftler halten das Hoch nur für eine weitere Momentaufnahme.

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Gut fünf Monate vor der Abgeordnetenhauswahl am 18. September haben die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Renate Künast die SPD erneut in der Wählergunst überholt. Laut einer Infratest-dimap-Umfrage im Auftrag des RBB liegen sie mit 28 Prozent zwei Prozentpunkte vor der SPD – ein Zuwachs von fünf Prozentpunkten. Bevor Renate Künast ihre Spitzenkandidatur bekannt gegeben hatte, lagen die Grünen in Umfragen schon einmal vor den Sozialdemokraten. Kurz nach der Bekanntgabe waren sie aber wieder abgesackt.

Die Sozialdemokraten geben sich angesichts der neuen Umfragen nach außen gelassen. Der Landesparteivorsitzende Michael Müller sagt: „Das Thema Atompolitik bestimmt derzeit bundesweit die Schlagzeilen, und das wirkt sich für die Grünen bundesweit positiv in den Umfragen aus. Bei der Abgeordnetenhauswahl werden aber die Berliner Themen im Fokus stehen.“ Außerdem verweisen die Sozialdemokraten auf den Abstand in den Persönlichkeitswerten zwischen dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und seiner Herausforderin. Der ist noch mal gewachsen. Würde der Bürgermeister direkt gewählt, könnte der Sozialdemokrat Wowereit zurzeit mit 55 Prozent gegenüber 30 Prozent für Künast rechnen.

Trotzdem gibt es Sozialdemokraten, für die diese Werte ein Warnsignal sind. „Der Höhenflug der Grünen muss die SPD nicht nervös machen, aber er macht deutlich, dass die Grünen ein veritabler Konkurrent sind, den man nicht unterschätzen darf“, sagt Mechthild Rawert, Sprecherin der Berliner Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion. „Wir müssen als SPD unsere Schwerpunkte Wirtschaft, Arbeit und sozialer Zusammenhalt noch stärker ausbauen und stärker als bisher verdeutlichen, wer von dieser Politik alles profitiert.“ Auch Eva Högl, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Mitte, sieht ein enges Rennen zwischen SPD und Grünen. „Die Grünen strahlen eine gewisse Modernität und einen Zeitgeist aus“, sagt sie. „Aber sie sind nur in einigen Bezirken stark, die SPD dagegen ist in der ganzen Stadt verankert.“ Auch dürfe man „keinen Kuschelkurs“ gegenüber den Grünen fahren. „Sie sind in Berlin unser stärkster politischer Konkurrent und gegen den muss man einen klaren Kurs fahren – notfalls mit einer deutlichen Konfrontation.“

Die Grünen selbst wollen die Umfragen nicht überbewerten. Sie wissen, wie instabil die Werte sind. Künast wollte sich gar nicht äußern, dafür sagt der Landesparteichef Daniel Wesener: „Wir haben immer gesagt, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben wird.“ Und die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth sagt: „Wir freuen uns natürlich, wenn wir in Berlin auf Platz 1 stehen. Aber wir wissen auch, dass uns noch eine Menge Arbeit und ein spannender Wahlkampf bevorstehen bis zum Ziel in der Hauptstadt.“

Auch für den Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer von der Freien Universität sind die Werte nur „Momentaufnahmen“. In den vergangenen Wochen habe nur ein Thema die Öffentlichkeit bestimmt: Atom und Japan. Niedermayer sieht bei den Grünen eine „Themenkonjunktur“, die stark von aktuellen Debatten geprägt ist. Das Thema Atomkraft habe bei etwa 85 Prozent der Wähler in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die erstmals grün gewählt haben, den Ausschlag gegeben. Die Grünen haben mit der Anti-Atomkraft-Linie einen Markenkern und ein grünes Identitätsthema, mit dem sie „extrem glaubwürdig“ seien.

Die CDU verliert in der jüngsten Umfrage den Kontakt zu SPD und Grünen. Sie kommt nur noch auf 21 Prozent. Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel ist dennoch zuversichtlich: „Am Ende des Wahlkampfes werden alle nahe beieinander liegen und wir als CDU können ein Ergebnis von 25 Prozent plus x einfahren.“ Auch eine Wahl von Künast zur Regierenden Bürgermeisterin schließt er nicht aus. „Ich wünsche mir Frau Künast nicht als Bürgermeisterin“, sagte Steffel, aber da das Ziel Regierungsbeteiligung laute, würde man auch als Juniorpartner in eine grün-schwarze Koalition gehen. Die Linken rutschten in der Umfrage auf 15 Prozent. Die FDP würde mit drei Prozent aus dem Landesparlament fallen.

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