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Sozialsenatorin Carola Bluhm erwartet eine unnötige Bürokratie.

© Mike Wolff

Unnötige Bürokratie erwartet: Hartz-IV-Reform: Alles zurück auf Start

Beim Bildungspaket für Kinder sind jetzt Senat und Bezirke gefragt. Sozialsenatorin Carola Bluhm erwartet eine unnötige Bürokratie. In der Stadt erhalten rund 178 000 Kinder und Jugendliche Leistungen nach Hartz IV.

Jetzt wird wieder bei null angefangen. Seit der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat gestern der Hartz-IV-Reform zugestimmt hat, steht endgültig fest, dass Berlin als Kommune das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder aus Familien von Hartz-IV-Empfängern und Geringverdienern umsetzen wird. In der Stadt erhalten rund 178 000 Kinder und Jugendliche Leistungen nach Hartz IV, für weitere 6000 Kinder wird der Kinderzuschlag gezahlt, da das Einkommen der Eltern nicht ausreichend ist. Sie können künftig Unterstützung etwa beim Schulessen, bei der Mitgliedschaft in Vereinen oder bei nötiger Nachhilfe bekommen.

Die Jobcenter haben mit der Umsetzung der Reform nichts mehr zu tun. Dabei hatten sie monatelang Vorbereitungen getroffen, damit sofort ein Basisangebot bereitsteht, sobald das Gesetz rechtskräftig geworden ist. Die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg hatte Musterverträge für Kitas, Caterer, Sportvereine, Musikschulen oder Nachhilfeinstitutionen entworfen. Ebenso waren Formulare für Gutscheine entwickelt worden. All diese Arbeiten sind jetzt hinfällig.

Unklar ist, wer über Anträge entscheiden wird

Nun sind Senat und Bezirke in der Pflicht. Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke), die das Bildungspaket von Anfang an abgelehnt hat, erwartet, dass „eine unnötige und teure Bürokratie entsteht“. Auf Senatsseite ist vor allem die Bildungsverwaltung von Senator Jürgen Zöllner (SPD) zuständig. Laut seinem Sprecher Christian Walther hat sich am Dienstag erstmals eine Arbeitsgruppe der beteiligten Senatsverwaltungen und der Bezirke getroffen.

Dort verständigte man sich darauf, in Arbeitsgruppen die einzelnen Probleme zu klären. Noch sind so gut wie alle inhaltlichen und organisatorischen Fragen offen: Alles muss neu erarbeitet werden: von den Antragsformularen über die Gutscheine bis hin zu der Frage, wo betroffene Familien die neuen Leistungen beantragen können und wer darüber entscheidet. Wahrscheinlich ist, dass dies die Bezirke übernehmen werden. Wegen all dieser Unsicherheiten wird es nach Walthers Aussage auch bis Ende März dauern, bis der Ablauf geklärt sein wird. Allerdings steht der Senat auch unter einem gewissen Zeitdruck, da das Gesetz rückwirkend zum 1. Januar in Kraft tritt.

Unklarheiten werden zu weiteren Verfahren beim Sozialgericht führen

Auf den Internetseiten der Jobcenter hatten Hartz-IV-Empfänger schon seit Ende des vergangenen Jahres Antragsformulare für das Bildungspaket herunterladen können. Einige Anträge wurden dort bereits abgegeben, aber wegen der rechtlich unklaren Lage nicht bearbeitet. „Bescheide konnten natürlich noch nicht erteilt werden“, sagt Uwe Mählmann, Sprecher der Arbeitsagentur Süd. Zu den derzeit offenen Fragen gehört auch, wie jetzt mit diesen Anträgen umgegangen wird. Am leichtesten umzusetzen ist noch die Erhöhung des Regelsatzes um zunächst fünf Euro auf jetzt 364 Euro – dies liegt in der Verantwortung der Jobcenter. Das Geld wird am 1. April ausgezahlt, rückwirkend zum Jahresanfang. Anspruch hat auch, wer zu diesem Zeitpunkt noch Hartz-IV-Empfänger war, inzwischen aber keine Leistungen mehr bekommt.

Die vielen Unklarheiten werden zudem zu weiteren Verfahren beim Sozialgericht führen. Erste Klagen sind dort schon eingegangen, obwohl das Gesetz noch nicht einmal verabschiedet ist. Und auf Landesebene wird demnächst bestimmt auch politisch gestritten über die Frage, was mit frei werdenden Mitteln passiert, wenn jetzt beispielsweise der Bund einen Teil der Subventionierung des Schulessens übernimmt, die vorher vom Land gezahlt wurde.

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