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Verfassungsgericht: Streit um den Segen von höchster Stelle

CDU beschuldigt Verfechter des verbindlichen Ethikunterrichts der Lüge – dabei stärkt das Verfassungsgericht deren Position.

Im Streit um den Volksentscheid über ein Wahlpflichtfach Religion als Alternative zum Ethikunterricht wird der Ton immer schärfer. Zehn Tage vor dem Abstimmungstag 26. April wirft die CDU der rot-roten Koalition vor, in der offiziellen Informationsbroschüre für alle Wähler gelogen und einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts falsch wiedergegeben zu haben. Vertreter der Regierungsparteien und auch der Grünen weisen das zurück – zu Recht, wie eine Betrachtung des Gerichtsbeschlusses zeigt.

Bei dem CDU-Vorwurf der „Verfassungslüge“ geht es um Folgendes: In dem jetzt an alle Wähler verteilten, 24-seitigen Informationsblatt zum Volksentscheid wird neben den Positionen der Kontrahenten eine vom Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SPD, Linken und Grünen verabschiedete Darstellung wiedergegeben, derzufolge das Bundesverfassungsgericht 2007 „ausdrücklich festgestellt“ habe, „dass ein gemeinsamer Pflichtunterricht in Ethik die Integrationsziele der Berliner Schule besser erfüllen könne als eine Separierung nach Glaubensrichtungen oder eine Aufspaltung auf verschiedene Fächer“.

CDU-Chef Frank Henkel behauptet nun, die Stellungnahme sei „verfälscht“ worden und spricht vom „Missbrauch“ des höchsten deutschen Gerichts durch die Koalition, mit deren Mehrheit das Parlament die entsprechende Darstellung verabschiedet hat. Zum Beleg zitiert die CDU eine Passage aus dem Gerichtsbeschluss, die der vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Darstellung tatsächlich nicht ganz zu entsprechen scheint. Während es im Parlamentstext heißt, das Gericht habe die integrative Leistung des gemeinsamen Ethikunterrichts „ausdrücklich festgestellt“, weist die CDU darauf hin, dass das Gericht dies nur als Möglichkeit nennt, aber nicht als Fakt.

Ein genauerer Blick in die offizielle Mitteilung des Bundesverfassungsgerichts, mit der es im März 2007 die Einführung des Ethikunterrichts in Berlin als Pflichtfach für verfassungsgemäß erklärte, zeigt jedoch, dass die vom Abgeordnetenhaus verabschiedete Darstellung durchaus korrekt ist. Nachdem das Gericht ausgeführt hat, dass Berlin den gemeinsamen Ethikunterricht einführen durfte, „um so die damit verfolgten legitimen Ziele gesellschaftlicher Integration zu erreichen“, heißt es weiter: „Der Landesgesetzgeber durfte davon ausgehen, dass bei einer Separierung der Schüler nach der jeweiligen Glaubensrichtung und einem getrennt erteilten Religionsunterricht den verfolgten Anliegen möglicherweise nicht in gleicher Weise Rechnung getragen werden könne wie durch einen gemeinsamen Pflicht-Ethikunterricht.“ Das sagt, juristisch verklausuliert, eben das, was auch im Text des Abgeordnetenhauses steht, nämlich dass ein gemeinsamer Ethikunterricht das Integrationsziel besser erfüllen kann als eine Separierung nach Glaubensrichtungen.

Die Initiative „Pro Reli“ stellte am Mittwoch eine „repräsentative“ Meinungsumfrage des Institutes Ispra vor, derzufolge eine Mehrheit der Berliner ihr Anliegen unterstütze. Vor wenigen Tagen hatte allerdings die gegen das Wahlpflichtfach Religion arbeitende Initiative „Pro Ethik“ eine ebenfalls angeblich repräsentative Forsa-Umfrage vorgestellt, deren Ergebnisse der neuen Studie widersprechen.

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