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© dpa

Verkehrsstudie: "Äpfel mit Birnen verglichen"

Ein britisches Internetportal weist Berlin als zweitlangsamste Stadt von 30 europäischen Metropolen aus. Die Studie über das angebliche Kriechtempo in Berlin löst bei Verkehrsfachleuten Kopfschütteln aus. Schnellste Stadt war Hamburg.

Die Aufregung ist groß, der Anlass kurios: Vor neun Tagen veröffentlichte das britische Internetportal "Keepmoving" eine Verkehrsstudie, in der Berlin auf Platz zwei landet. Genau genommen, ist es der zweitletzte Rang, weil gemessen wurde, wie langsam man durch 30 europäische Metropolen kommt. Heute nun veröffentlichte eine deutsche Boulevardzeitung das Ranking in großen Lettern.

Demnach schleicht man in Berlin angeblich mit durchschnittlich 24 Kilometern pro Stunde, egal, ob in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Pkw. Hamburg belegt mit 84 km/h Platz 30, nimmt also nach dem Verständnis der Autoren der Studie den Spitzenrang ein. "Ich möchte mal wissen, wo man hier 84 km/h erreicht", sagt eine Sprecherin des Hamburger Senats und lacht.

Hamburg setzt auf eine intelligente Verkehrstechnik

Auch Kerstin Feddersen von der Baubehörde findet, dass man in Hamburg nirgends derart schnell vorankomme. "Aber im grundsätzlichen Trend fühlen wir uns bestätigt", gibt sich Feddersen dennoch zufrieden. Kontinuierlich setze Hamburg auf intelligente Verkehrstechnik. "Das heißt, unsere Ampelsteuerungen überwachen einen großen Radius und stimmen sich ab. Werden Straßen umgebaut, prüfen wir zuerst, ob Kreisverkehre möglich sind." Grundsätzlich halte man aber nichts von der Studie.

Studie fragwürdig aufgrund falscher Konzeption?

Nach Ansicht von Fachleuten ist die Untersuchung weder wissenschaftlich noch nachvollziehbar aufgebaut. So fehlen nicht nur Angaben, wo in den schwer vergleichbaren 30 Städten wie London (19 Kilometer pro Stunde), Turin (51) oder Prag (37) gemessen worden sei. Ausgewertet wurden allein pauschal GPS-Funknetz-Daten von Personen, die durch die Städte gefahren sind. In Berlin wurde auf einer Fläche von 13 Quadratkilometern gemessen - wo genau, bleibt jedoch mit der Angabe "Innenstadt" äußerst vage. Ebenso wurden Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) und Autofahrten vermischt.

"Völlig unzulässig", findet dies Berlins S-Bahn-Sprecher Gisbert Gahler. Schließlich sei das Bahn-Angebot in den Metropolen gänzlich verschieden. "So werden mit dem S-Bahn-Ring ganz andere Flächen abgedeckt als anderswo", sagt Gahler. "Jede Stadt hat zudem andere Bahnhofsabstände und Haltezeiten." All dies führe zu falschen Daten. Gerade in Berlin setze man auf lange Zu- und Ausstiegszeiten. Damit sei die S-Bahn komfortabel und schnell: Bei 40 km/h liege die Durchschnittsgeschwindigkeit. Die Busse erreichen übrigens 19,5, die Straßenbahn 19,2 und die U-Bahn 31,1 km/h.

Berlin- "oft zu langsam"

Für die Grünen-Verkehrsexpertin Claudia Hämmerling geht es dennoch "oft zu langsam" voran. Der Senat behandele den ÖPNV "stiefmütterlich". "Vorhandene Potenziale wie Busspuren oder Ampelvorrangschaltungen werden nicht beziehungsweise nur temporär genutzt." Oft erhalte die Straßenbahn selbst dann keine eigene Trasse, wenn dies möglich sei. Viele Umsteigemöglichkeiten seien schlecht.

Michael Beer, verantwortlich für das Berliner Verkehrsmanagement, hält dagegen: "Hamburg, Berlin - da wurden Äpfel mit Birnen verglichen." Stadtentwicklungssprecherin Petra Rohland verweist auf kaum verhandene Dauerstaus und den allgemein funktionierenden Verkehrsfluss. Selbst der ADAC sieht einen unzutreffenden Vergleich mit Hamburg. Jörg Becker, Berliner Abteilungsleiter für Verkehr sagt: "Die Stadtstrukturen sind hier ganz andere. Es gibt viele Unterzentren. Und die Messungen erfolgten im Sommer, als extrem viele Dauerbaustellen blockierten." Kritisch wirke sich allerdings das "Fehlen von genügend guten Schnellstraßen" aus, sagt Beer. "Aber ein langsamer Verkehr ist in Berlin politisch gewollt." (mit ddp)

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