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Gerhard Anger ist neuer Vorsitzender der Berliner Piraten.

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Update

Vorstands-Neuwahl: Rückkehr eines Hoffnungsträgers: Gerhard Anger neuer Piratenchef

Er ist wieder da: Gerhard Anger ist mit großer Mehrheit zum neuen Vorsitzenden der Berliner Piraten gewählt worden. Diesen Posten hatte er schon einmal - und damals nahm die Sache kein gutes Ende.

Gerhard Anger ist neuer Vorsitzender der Berliner Piratenpartei. Der 36-Jährige setzte sich am Samstag mit großem Vorsprung vor dem zweitplatzierten Konkurrenten durch. Der Landesparteitag hatte am Samstagmorgen um viertel nach zehn begonnen. Wichtigster Punkt auf der Tagesordnung: Die Neuwahl des Vorstands.

Diese hatte gegen 12:30 Uhr begonnen, und überraschenderweise kandidierte Gerwald Claus-Brunner, Mitglied des Abgeordnetenhauses, für den Vorsitz. Im kommenden Wahlkampf wisse er, was zu tun sei, begründete er seine Kandidatur, und sagte in bester Piratenmanier: "Ihr müsst selber wissen, ob ihr mich wählen wollt oder nicht, das kann ich euch nicht abnehmen." Am Ende wussten es die Piraten: Ihn wollten sie nicht, mit 104 von 293 möglichen Stimmen kam Claus-Brunner aber auf ein respektables Ergebnis.

Die Piraten wählen nach dem so genannten Approval System: Die Mitglieder können beliebig vielen Kandidaten je eine Stimme geben. Wer bei den meisten Mitgliedern auf Unterstützung stößt, ist (sofern die Zustimmung über 50 Prozent liegt) gewählt - und das war am Sonnabend ganz klar Gerhard Anger. 234 von 293 Kandidaten schenkten ihm ihr Vertrauen, "ein für Piratenverhältnisse sozialistisches Ergebnis", wie eine Piratin bemerkte.

Gerhard Anger war schon einmal Parteivorsitzender, und damals fand seine Amtszeit kein gutes Ende. Im Februar war Anger, erschöpft und ausgebrannt, nicht zur Wiederwahl angetreten. Dass es noch einmal so weit kommt, will er vermeiden. Bei seiner Vorstellung liefert er eine Liste all der Dinge, zu denen er nicht mehr bereit sei: Niemand solle ihn wählen, der von ihm eine 24/7-Bereitschaft erwarte, der erwarte, dass er jeden Streit schlichte und jedes Feuer lösche, Familie, Freunde und Beruf vernachlässige oder der von ihm erwarte, dass sein Fell dick genug sei, um jeden Shitstorm zu überstehen. Außerdem will er die Arbeit der Piraten unter dem Motto "Gelassenheit durch Transparenz" auf eine neue Basis stellen: Ihm schwebe eine neue Transparenz-Plattform zur Organisation der Arbeit des Landesverbands vor, sagt er. Und bei der Kandidatenbefragung im Anschluss an die Vorstellung stellt er noch etwas klar: Er werde im kommenden Jahr in keinem Fall für die Bundestagsliste kandidieren.

Der im Februar als Angers Nachfolger gewählte Kurzzeit-Vorsitzende Hartmut Semken war bereits im Mai zurückgetreten, nach einer Serie von Pannen war er schließlich bei einer Lüge gegenüber seinen Vorstandskollegen ertappt worden. Heute hat er sich auf dem Parteitag zu Wort gemeldet, als der scheidende Landesvorstand seinen Rechenschaftsbericht gab. Er sprach davon, dass ihm das "ganz schön schwerfalle", nach der "Scheiße", die er gebaut habe. Nach seinem Rücktritt habe er die Lust daran, für die Piraten und mit den Piraten Politik zu machen, verloren - sie mittlerweile aber wiedergefunden.

Bilder vom Parteitag der Piraten im Februar 2012:

Insgesamt treten 18 Kandidaten für einen der Posten im Landesvorstand an. Spannend wurde es am Abend noch bei der Kandidatur von Katja Dathe für das Amt der Schatzmeisterin: Das hatte sie bis Februar inne, sie galt gemeinsam mit Anger als Führungsduo, wollte ebenfalls in den Landesvorstand zurück - scheiterte aber an der Basis. Parteiintern ist sie nicht unumstritten, manche werfen ihr notorisches Geklüngel und Strippenzieherei vor. Und dass sie mit großer Geste ihr Mandat in der von ihr als "vollkommen überflüssige und kontraproduktive Demokratiesimulation" kritisierten BVV niederlegte, empfanden in der Partei nicht wenige als Verrat am Wähler - erst recht, weil es keinen Nachrücker gibt, der ihren Posten hätte übernehmen können. Am Ende langte es für Dathe nicht: Die Piraten wählten nicht sie, sondern Gordon Thomas zum neuen Landesschatzmeister.

Vorgesorgt, damit es auf dem Parteitag nicht zu öffentlichen Querelen kommt, haben die Piraten: Zwei Streitschlichter stehen bereit. Und auch darüber hinaus haben sich die Piraten Mühe gegeben, um für einen reibungslosen Parteitag zu sorgen: Es gibt eine Kinderbetreuung, eine englische Übersetzungshilfe, veganes, koscheres und auch halal Essen.

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