zum Hauptinhalt
Die Posten im Vorstand der Berliner Piratenpartei sind nicht besonders begehrt.

© dapd

Vorstandswahl: Personalnot bei den Berliner Piraten

Die Piratenpartei hat Schwierigkeiten bei der Suche nach neuem Spitzenpersonal. Nur neun Parteimitglieder kandidieren für den Vorstand. Andere spekulieren lieber auf Bundestagsmandate.

Mitte September wollen die Berliner Piraten einen neuen Vorstand wählen. Aber gerade einmal zehn Parteimitglieder erklärten bis Sonnabendmittag ihre Kandidatur für ein Amt, mittlerweile finden sich sogar nur noch neun Namen auf der Kandidatenliste. Dabei wollen die Piraten diesmal alles besser machen – ein knappes halbes Jahr nach dem Abgang des glücklosen Vorsitzenden Hartmut Semken, der sich zunächst in widersprüchliche Aussagen zur Abgrenzung gegen Links- und Rechtsextremismus verstrickte, schließlich bei einer Lüge gegenüber Vorstandskollegen ertappt wurde und daraufhin zurücktrat. Ein Grund für die Zurückhaltung dürfte sein: Viele Piraten spekulieren nicht auf ein Vorstandsamt – sondern auf einen Platz auf der Bundestagsliste.

Am vergangenen Sonntag schrieb Martin Delius, Mitglied des Abgeordnetenhauses, einen Brandbrief. Gerade einmal vier Piraten hatten zu diesem Zeitpunkt ihre Kandidatur erklärt. „Ist es das, was zwangsläufig passiert, wenn ein ganzer Landesverband völlig verunsichert in die eigene Zukunft blickt?“, fragte Delius. Auf dem letzten Parteitag hatte der Vorsitzende Gerhard Anger überraschend seine Kandidatur zur Wiederwahl zurückgezogen, daraufhin fand eine Vorstandswahl statt, auf die sich niemand hatte vorbereiten können. Mit Blick darauf schrieb Delius nun, man habe der Öffentlichkeit und sich selbst versprochen, sich für die nächste Wahl besser vorzubereiten und sich Personen genau anzugucken. „Was für eine scheinheilige Selbstlüge das war, sehe ich jetzt und es macht mich sehr traurig.“

Der Parteitag, auf dem Semken ins Amt gewählt wurde:

Als Brandbrief will Delius sein Schreiben nicht verstanden wissen, er spricht im Nachhinein von einer „Motivationsmail“. Einen kompetenten Vorstand könnten die Piraten in der Tat brauchen, steht doch der Bundestagswahlkampf ins Haus, bei dem die Berliner zeigen müssen, ob ihr Überraschungserfolg bei der Abgeordnetenhauswahl mehr war als nur das. Doch Delius gibt zu bedenken: Nach den Geschehnissen rund um Semken seien viele Piraten eben „extrem vorsichtig“. Das allerdings dürfte nicht der einzige Grund für die wenigen Kandidaturen sein. Vielmehr steht bald auch die Vergabe der Listenplätze für die Bundestagswahl an – und offenbar fürchten manche Piraten, dabei nicht mehr zum Zuge zu kommen, wenn sie bereits ein Vorstandsamt übernommen haben. Auch bietet ein Amt in der Parteiführung – der Fall Semken hat es bewiesen – hinreichend Gelegenheit, Fehler zu machen – und ist damit ein Risiko.

Die drei Bundestagsmandate, auf die die Piraten spekulieren, bringen Unruhe in die Partei. Eine dreistellige Zahl von Kandidaten könnte am Ende antreten, wenn die Plätze vergeben werden. Wer sich für die Partei engagiert, muss sich mittlerweile immer öfter fragen lassen, ob er das nur tut, um seine Chancen zu verbessern. Vor einiger Zeit rief deshalb Alexander Morlang, Mitglied des Abgeordnetenhauses, dazu auf, sich bei ihm auf einer Nicht-Kandidaten-Liste einzutragen, um die Debatte zu befrieden. Gerade einmal vier Piraten fanden sich, die einer Kandidatur eine definitive Absage erteilten, dann gab Morlang sein Vorhaben auf.

Diese Piraten sitzen im Abgeordnetenhaus:

Neun Kandidaten für den Vorstand, der mindestens aus drei Mitgliedern besteht, durch die Wahl von Beisitzern aber eher größer ist: Für eine selbsterklärte Mitmach-Partei wie die Piraten ist diese Zahl nicht besonders hoch – zumal die Kandidaten intern mal mehr, mal weniger profiliert sind. Einige aussichtsreiche Namen finden sich durchaus auf der Liste, etwa jener des intern sehr bekannten und aktiven Piraten Stephan Bliedung oder jener des momentanen Landesschatzmeisters Enno Park. Andere denkbare Kandidaten aber winken nur ab – so etwa Stephan Urbach, der einst als erster Pirat im Landesverband öffentlich erklärt hat, für den Bundestag kandidieren zu wollen. Zwar sagt er zur Amtszeit des ausgeschiedenen Semken: „Da ist von Anfang an alles schiefgegangen, was schiefgehen konnte.“ Selbst besser machen will er es aber nicht: „Keine Zeit.“ Außerdem sei er kein geeigneter Kandidat, weil er im Moment Angestellter der Abgeordnetenhausfraktion ist. „Der Verdacht wäre, dass ich eh nur tue, was die Fraktion sagt.“

Und auch Katja Dathe, die bis zum letzten Landesparteitag Mitglied im Vorstand war und bei der Wahl überraschend Hartmut Semken unterlag, steht möglicherweise nicht noch einmal zur Verfügung. Nach einer Kandidatur sehe es „im Moment nicht aus“, sagt sie. Begründung: Die Aufgabenstellung für den künftigen Landesvorstand sei „unklar“, mehr als eine „Wolke von Wünschen“ gebe es nicht. Hoffentlich gelinge es noch, die Anforderungen in den verbleibenden Wochen zu definieren. Per Twitter unterbreitete Dathe aber auch – nur halb im Scherz – einen ganz anderen Vorschlag: Man könne auch einfach überhaupt keinen Vorstand wählen – und den Berliner Landesverband direkt der Bundesebene unterstellen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false