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Webseiten von Parteien: Zwischen Überholspur und Pannenstreifen

Bei der Internetnutzung sind die Berliner Spitze. Aber die meisten Landespolitiker hinken hinterher – mit löblichen Ausnahmen.

Die Chefs gehen mit schlechtem Beispiel voran: Wer im Internet die persönlichen Seiten der Berliner Fraktionsvorsitzenden von SPD, Linken, Grünen und FDP anklickt, wird meist enttäuscht. „Diese Seite ist noch in der Entwicklung“, heißt es bei Linksfraktionschefin Carola Bluhm (www.carola-bluhm.de). Auch Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann ist „zurzeit nicht erreichbar“ (www.volker-ratzmann.de). FDP-Fraktionschef Martin Lindner hat immerhin eine Website – die aber so veraltet ist, dass die Abgeordnetenhauswahl 2006 als wichtigstes kommendes Ereignis angekündigt wird (www.martin-lindner.info). Die Seite von SPD-Fraktionschef Michael Müller verweist auf die Website des Abgeordnetenhauses – wo der Nutzer mit spärlichen Informationen abgespeist wird (www.mueller- spd.de).

Wer sich durch die Websites führender Berliner Landespolitiker klickt, kommt schnell zu dem Fazit, das kürzlich auch die Politikberatungsagentur Politika nach einer systematischen Studie zog: Ein zeitgemäßes Konzept, um das Internet zum Austausch mit dem Bürger zu nutzen, ist in Berlin „nur ansatzweise vorhanden“. Die Bürger der Stadt liegen zwar bei der Internetnutzung bundesweit an erster Stelle. Die Politiker hinken dem Trend aber zum großen Teil hinterher. Lediglich etwas mehr als die Hälfte der 149 Abgeordnetenhausmitglieder hat überhaupt eine Website, zählt die Politika-Studie auf. Von diesen Seiten enthält aber wiederum nur die Hälfte aktuelle Inhalte. Das heißt: Drei Viertel der Abgeordneten nutzen das Internet nicht als interaktives Medium für den Austausch mit Wählern und Öffentlichkeit.

Dabei gibt es allerdings deutliche Unterschiede zwischen den Parteien. Vorreiter sind die SPD-Abgeordneten: Vier von fünf Sozialdemokraten sind laut Politika im Internet präsent, wenngleich nur 42 Prozent eine aktuelle Seite haben. Die Grünen folgen mit einer Präsenz von 61 Prozent (26 Prozent aktive Seiten). Bei den Liberalen ist immer noch jeder Zweite im Internet vertreten, bei der CDU nur noch 43 Prozent. Schlusslicht ist die Linkspartei: Nur ein Viertel der Abgeordneten hat eigene Seiten, auf dem aktuellen Stand sind gar nur 17 Prozent. Dass es ganz anders geht, zeigt vor allem der Nachwuchs. Gerade jüngere Abgeordnete präsentieren sich und ihre Arbeit mit Internetseiten, die auch in der aktuellen Studie gelobt werden.

Die Linke-Abgeordnete Evrim Baba zum Beispiel präsentiert sich mit gut gemachten Seiten, vielen Querverweisen und aktuellen Terminen. (www.evrimbaba.de). Auch Linksparteichef Klaus Lederer bietet technisch gut gemachte Seiten, viele Inhalte und sogar Filme (www.klaus-lederer.de). Bei der CDU zeigt unter anderem Heiko Melzer, wie man das Netz als Politiker für seinen Auftritt nutzen kann: Der Spandauer Abgeordnete bietet gut strukturierte Infos zu aktuellen Positionen, zu seiner Person und viele Links zu anderen CDU-Kollegen und Parteiseiten (www.heiko-melzer.de). Außerdem gibt es einen ausführlichen Kalender des Politikers, von dem man sich Termine in seinen eigenen Kalender kopieren kann. Interaktiv herausragend ist auch der Auftritt des FDP-Politikers Björn Jotzo (www.jotzo.org). Außerdem gibt es als Zusatzservice das aktuelle Berlinwetter und die Dax-Kurve.

Bei den Grünen gehört der Abgeordnete Özcan Mutlu zu den Trendsettern (www.mutlu.de). Unter den aktuellen politischen Inhalten finden sich Reden und politische Dokumente gleich in vier Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch und Türkisch. Außerdem kann man hier unter anderem lernen, wie Gesetze gemacht werden. Bei den Sozialdemokraten glänzt Markus Pauzenberger mit einem gut strukturierten, interaktiven Auftritt (www.markus-pauzenberger.de). Und er gibt ein gutes Beispiel für Transparenz: Ausführlich werden Höhe der Diäten und Nebenverdienste aufgelistet.

Unter den Fraktionschefs geben lediglich Grünen-Kofraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig und CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger ein ordentliches Bild ab. Eichstädt-Bohlig bietet viel politischen Lesestoff, recht aktuelle Informationen und Einblicke in ihre Biografie (www.eichstaedt-bohlig.gruene-berlin.de). Gut bedient wird der Internetnutzer auch bei Pflüger (www.friedbert-pflueger.de). Es gibt Reden des CDU-Fraktionschefs, Positionspapiere und eine persönlich-politische Liebeserklärung an Berlin. Von Berlins Senatoren hat nur einer eine eigene Website: Wirtschaftssenator Harald Wolf. Für die übrigen Senatoren gilt, was die Politika-Studie auch der Mehrheit der Abgeordnetenhausmitglieder bescheinigt: „Eine Dialogbereitschaft in Form eines interaktiven und umfassenden Informations- und Dialogangebots ist leider nicht zu erkennen.“

Die Politika-Studie im Internet:

www.politika-berlin.de

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