zum Hauptinhalt

Berlin: „Wir schlagen nicht mit dem Hammer zu“

Polizeipräsident Glietsch kündigt Milde bei der Umweltzone an. Im Konflikt zwischen Kurden und Türken setzt er auf Präsenz

Wie reagiert die Polizei auf weitere Auseinandersetzungen zwischen türkischen Nationalisten und militanten Kurden?

Die neue Gewaltbereitschaft, die junge türkische Nationalisten vor einer Woche zeigten, kam für uns ja überraschend. Das kannten wir aus den vergangenen Jahren nicht. Vor diesem Hintergrund müssen Polizei und Verfassungsschutz ihre Erkenntnislage verbessern und wir müssen durch verstärkte Präsenz Gewaltaktionen bei Demonstrationen möglichst im Ansatz verhindern und Gewalttäter festnehmen. Wir wollen Veranstaltungsabläufe verhindern, die dazu geeignet sind, die Emotionen weiter anzuheizen.

Es sind viele junge Leute dabei. Sind deren Aktionen wirklich politisch motiviert oder spielen nicht auch Rauf- und Abenteuerlust eine Rolle? So ähnlich wie bei früheren Gewaltaktionen am 1. Mai.

Diesen Eindruck haben wir am vergangenen Sonntag auch gewonnen. Manches spricht für eine spontane Emotionalisierung, die sich aus der Situation heraus entwickelt hat. Es gab keine Anzeichen dafür, dass die Gewaltakte von Leuten geplant und gesteuert waren, die einschlägig bekannte politische Absichten haben.

Experten sagen, es fehle der Polizei an Autorität, um jungen Migranten wirksam gegenüberzutreten.

Das sehe ich anders. Gewaltausbrüchen wie vor einer Woche wird die Polizei auch künftig konsequent entgegentreten. Es ist nicht so, dass es der Polizei gegenüber jungen Türken oder Kurden generell an Autorität fehlt. Gerade in Kreuzberg sind unsere Kontakte sehr gut. Wir sprechen regelmäßig mit den Migrantenorganisationen und denen, die auf der Straße erreichbar sind. Im Übrigen bin ich sicher, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen türkischer und kurdischer Abstammung nicht daran interessiert sind, dass die Lage eskaliert.

Was halten Sie von der Idee aus Düsseldorf: Imame mit auf Streife zu nehmen?

Ich halte davon gar nichts. Bei Projekten zur Gewaltprävention, wie in Spandau, machen wir Kiezspaziergänge mit jungen Migranten. Aber das ist etwas völlig anderes, als wenn Polizisten mit Imamen auf Streife gehen. Denn das sieht so aus, als wenn hier zwei gleichberechtigte Autoritäten – mit Anspruch auf Akzeptanz – auf der Straße unterwegs sind. Das ist aber nicht so. Die Polizei verkörpert den demokratischen Rechtsstaat und seine Werte. Sie hat einen klaren gesetzlichen Auftrag und darf nicht den Eindruck erwecken, auf religiöse Funktionsträger angewiesen zu sein, die ganz andere Aufgaben haben und wohl auch andere Werte repräsentieren.

Andere Aufgaben – ein gutes Stichwort. Die Polizei muss ab Januar 2008 Autos kontrollieren, die in die Umweltzone fahren. Das geschieht mit harter Hand, ohne jede Karenzzeit?

Sollte dieser Eindruck entstanden sein, dann ist er falsch. Zunächst einmal ist es Sache der zuständigen Senatsverwaltung, die Einführung der Umweltzone so gut wie möglich vorzubereiten. Das gilt für die Information der Bevölkerung. Wie kulant die Polizei dann sein wird, hängt unter anderem vom Stand und von der Qualität der Vorbereitungen ab und wird mit der Umweltbehörde abgestimmt. Die Polizei kann kein Eigeninteresse haben zu sagen: Egal was passiert, wir schlagen ab 1. Januar 2008 zu.

Die neue Regelung…

… muss von den Bürgern akzeptiert werden. Unnötige Verärgerungen sollten wir vermeiden. Es ist ja auch nicht so, dass wir die Kontrolle der Umweltzone als zusätzliche polizeiliche Aufgabe mit hoher Priorität wahrnehmen können. Wir machen das mit im Rahmen der allgemeinen Verkehrsüberwachung und kontrollieren die Plaketten beispielsweise bei der Aufnahme von Verkehrsunfällen oder den üblichen Verkehrskontrollen.

Es gibt keine Schwerpunkteinsätze?

Nein. Wir planen keine Sonderaktionen.

Was ist denn, wenn im Januar in der Berliner City ein Tourist angehalten wird und er sagt: Umweltzone, nie gehört?

Das ist ein Beispiel, das dafür spricht, nicht undifferenziert mit dem Bußgeld-Hammer zuzuschlagen, sondern ein angemessenes Verhalten rechtzeitig mit der Umweltverwaltung abzustimmen.

Können auch Handwerker, die für ihren alten Diesel noch keine Ausnahmegenehmigung haben, mit Kulanz rechnen?

Die Polizei ist bei der Einführung neuer gesetzlicher Regelungen und Ordnungswidrigkeiten-Tatbestände nie kleinlich gewesen. Wenn es nach mir geht, wird dies auch bei der Umweltzone in den ersten Wochen so gehandhabt. Der Umweltschutz ist wichtig. Aber gerade deswegen spricht viel dafür, die intensive Aufklärung und Überzeugungsarbeit in den Vordergrund zu stellen.

Auf der Agenda der Berliner Polizei steht an vorderer Stelle die Hauptstadtsicherheit – für Regierung, Parlament und ausländische Diplomaten und Gäste. Jetzt stellt der Bund zusätzliches Geld dafür in Aussicht. Hilft Ihnen das?

Das Dumme ist, dass Finanzsenator Sarrazin diese Gelder im Haushaltsentwurf für 2008/09 schon als zusätzliche Einnahmen verbucht hat. Bisher standen den Berliner Ausgaben für die Hauptstadtsicherheit von 107 Millionen Euro nur 38 Millionen Euro gegenüber, die der Bund beisteuert. Ab 2008 werden es wahrscheinlich 60 Millionen Euro sein. Die Differenz, die das Land bezahlen muss, wird also geringer. In Erwartung der zusätzlichen Bundesgelder hat die Finanzverwaltung auf ursprünglich geplante Kürzungen bei der Polizei von 4,4 Millionen Euro verzichtet. Mehr Geld gibt’s aber vermutlich nicht.

Hauptstadtsicherheit mit knappem Geld, seitdem der Bund nach Berlin gezogen ist. Wie sieht Ihre Bilanz aus ?

Ich sage mal bescheiden: Wir haben diese Aufgabe relativ gut bewältigt. Mit den Kräften und der Ausrüstung, die wir jetzt haben, können wir auch in Zukunft die Sicherheit der Hauptstadt gewährleisten. Aber weniger geht nicht.

Das Gespräch führte U. Zawatka-Gerlach.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false