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Wirtschaftssenator Wolf: "Es darf nicht per se eine Frau gewinnen"

Wirtschaftssenator Harald Wolf erklärt, warum doch wieder ein Mann IBB-Vorstandschef wurde, wie er Berliner Unternehmen durch die Krise hilft und warum Kita-Kinder von den Linken profitieren.

Herr Wolf, warum mögen Sie keine Frauen?



Na, das ist ja komplett absurd...

Aber warum haben Sie sich einem Beschluss aller Fraktionen, Führungspositionen verstärkt mit Frauen zu besetzen, widersetzt und sich für Ulrich Kissing als neuen Vorstandschef der landeseigenen Investitionsbank IBB entschieden?

Zunächst einmal: Ich muss mir nicht vorwerfen lassen, dass ich nichts für die Besetzung von Frauen in Führungspositionen tue. Ich habe Birgit Roos 2004 in den IBB-Vorstand berufen und Vera Gäde- Butzlaff 2003 in den Vorstand des Männerbetriebs BSR geholt und 2007 zur Vorstandsvorsitzenden gemacht. Bei der Personalsuche für die IBB wurde die Stelle, wie vom Parlament gewünscht, öffentlich ausgeschrieben. Die Personalagentur hatte den Auftrag, bevorzugt nach Frauen zu suchen. Aber: Im oberen Management im Bankensektor ist der Frauenanteil ausgesprochen gering. Nach intensiven Bewerbungsgesprächen haben wir uns im Einvernehmen mit Senator Nußbaum, Senatorin Junge-Reyer und mit Klaus Wowereit für Ulrich Kissing entschieden. Ich hätte gerne eine Frau für den IBB-Vorstand gehabt, aber Herr Kissing war der bessere Bewerber.

Ihre Entscheidung wird nicht nur bei der Opposition, sondern auch bei SPD und Ihrer Partei als Beleg gesehen, Sie würden ihr Amt als Frauensenator vernachlässigen.

Wenn von mir und dem geschlechterparitätisch zusammengesetzten IBB-Verwaltungsrat verlangt wird, dass bei dem Auswahlverfahren per se eine Frau gewinnen muss, ist das nicht korrekt und entspricht nicht dem Landesgleichstellungsgesetz. Zwei Kriterien sind zu berücksichtigen: die Eignung und die Geschlechterspezifik.

Trotzdem bleibt eine generelle Kritik an Ihrer Arbeit als Frauensenator.


Als ich 2002 Senator wurde, hatten wir einen Frauenanteil in den Aufsichtsräten der öffentlichen Unternehmen von sechs Prozent. Jetzt haben wir in den Aufsichtsräten der Anstalten öffentlichen Rechts, für die ich zuständig bin, einen Frauenanteil von 50 Prozent, in öffentlichen Unternehmen insgesamt rund 39 Prozent. Mit dem Chancengleichheitsprogramm in Wissenschaft und Forschung hat Berlin es geschafft, die Spitzenposition unter den Bundesländern einzunehmen. Ich habe das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm auf den Weg gebracht. Das ist erstmalig der Versuch einer Landesregierung, Gleichstellungsfragen in die politische Schwerpunktsetzung aller Ressorts zu integrieren.

Wollten Sie bei den Haushaltsverhandlungen nicht im Frauenetat kürzen?

So ein Unsinn. Ich wollte eine Erhöhung durchsetzen und war erfolgreich. Der Etat von rund 18,2 Millionen Euro wurde um 800 000 Euro aufgestockt.

Woher kommen solche Wahrnehmungen? Neigen Sie zu einsamen Entscheidungen?

Nein. Manchmal aber können sie kommunizieren wie sie wollen. Es gibt in der Politik immer wieder Menschen, die sich beklagen, sie seien nicht informiert worden, obwohl darüber gesprochen wurde. Amnesie ist im politischen Geschäft eine sehr häufige Erscheinung.

Jahrelang waren Sie als Spitzenmann der Linken unangefochten akzeptiert. Aber die Kritik auch aus den Reihen Ihrer Partei wird deutlich lauter. Sind Sie amtsmüde?


Nein, im Gegenteil: Ich habe noch einiges vor.

In den vergangenen Wochen sind Konflikte in der Koalition hochgekocht. Beispiel Kita-Gebührenfreiheit: Erst verabschiedet der Senat mit Ihrer Stimme die Gebührenfreiheit. Der Betrag wird im Haushalt berücksichtigt. Dann macht die Linke eine Rolle rückwärts und stellt das wieder infrage. Warum?

Angesichts der Einnahmeausfälle infolge der Wirtschaftskrise ist es doch legitim, wenn die Fraktionsvorsitzende Carola Bluhm die Frage stellt, ob die Kostenfreiheit für das dritte Jahr nicht verschoben wird oder ob man Kostenfreiheit nur bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze umsetzt und dafür die Qualität verbessert. Aber der Senatsbeschluss, Kostenfreiheit für Kitas einzuführen, steht.

Also machen Sie mit Ihrem Vorschlag genau zur Wahlkampfzeit Klientelpolitik. SPD-Parteichef Müller hatte ja gesagt, alles „jenseits von Hartz IV“ finde bei den Linken nicht mehr statt.

Das ist doch Quatsch. Pädagogische Verbesserungen kommen doch nicht nur Hartz-IV-Empfängern zugute, sondern allen Schichten. Wir machen bei den Kindern keine Klassenunterschiede. Dennoch muss Qualitätsverbesserung bezahlt werden. Darüber sprechen wir.

Was halten Sie denn von dem dynamischen neuen Finanzsenator Nußbaum?

Er ist gerade dabei, sich in die komplizierten Berliner Themen einzuarbeiten und sich eine Meinung zu bilden.

Nußbaum ist Vollblutunternehmer, Sie sind über die politische Karriereleiter Senator geworden. Nußbaum ist parteilos, Sie sind stark vom Plazet der Basis und von Parteichef Lafontaine abhängig. Sind Sie neidisch auf Nußbaums Unabhängigkeit?

Wieso soll ein Parteiloser unabhängiger sein als ein Parteimitglied? Auch der Kollege Nußbaum braucht Mehrheiten in der SPD, die ihn nominiert hat, und in der Koalition. Ich finde, als Mitglied einer Partei mit Menschen ähnlicher Auffassung für gemeinsame Ziele einzutreten, schafft mehr Möglichkeiten der Durchsetzung und damit einen höheren Freiheitsgrad, als ich ihn als Einzelkämpfer im politischen Betrieb hätte.

Eine Partei kann den Freiheitsgrad des Einzelnen sehr einschränken. Das Abdriften Ihrer Partei in linkspopulistische Forderungen kann Sie als Reformer doch nicht kalt gelassen haben? Carl Wechselberg ist deshalb aus der Partei ausgetreten.

Das habe ich mit völligem Unverständnis zur Kenntnis genommen. Mit der Bundesspitze arbeiten wir nach anfänglichen Irritationen gut zusammen. Zum Thema realistische Politik: Die Linke forderte 2008 ein Zukunftsinvestitionsprogramm in Höhe von 50 Milliarden. Das fand Carl Wechselberg realitätsfern. 2009 beschließt die Große Koalition ein Konjunkturprogramm in Höhe von 50 Milliarden Euro. Ist das Linkspopulismus?

Experten gehen davon aus, dass die Auswirkungen der Finanzkrise den Binnenmarkt im Herbst hart treffen werden. Warum kritisieren Sie das Konjunkturprogramm, das Berlin mehr als 600 Millionen Euro bringt?

Die Kritik richtet sich nicht gegen ein Konjunkturprogramm per se, sondern gegen das zu geringe Volumen und die konjunkturpolitisch weitgehend untauglichen steuerlichen Maßnahmen. Ökonomen wie Paul Krugmann oder Nobelpreisträger Joseph Stiglitz verlangen von Deutschland angesichts der Tiefe der Krise ein Konjunkturprogramm von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also eine Verdoppelung des Volumens. Statt 50 Milliarden in zwei Jahren sind 50 Milliarden pro Jahr notwendig. Wir brauchen ein drittes Konjunkturprogramm.

Wie können Sie direkt als Wirtschaftssenator gegen die Krise steuern?

Zum einen müssen wir als Senat sicherstellen, dass das kommunale Investitionsprogramm voll ausgeschöpft wird und das Geld rasch bei den Unternehmen ankommt. Zweitens muss der reguläre Investitionshaushalt ausgeschöpft werden. In dem Maße, wie die Anträge von Unternehmen auf Investitionsförderung zurückgehen, werden wir Geld für Infrastrukturmaßnahmen umschichten. Drittens werden wir Unternehmen helfen, die Finanzierungen brauchen. Unser wichtigstes Instrument ist die IBB, dazu kommt die Bürgschaftsbank, die Unternehmen mit Bürgschaften hilft.

Wieso hat es so lange gedauert, bis der Senat einen Unternehmensservice bei der IBB für Bestandsunternehmen aufbaut?

Das hat zwei Gründe: Es gab Widerstand aus den Reihen der SPD gegen das Konzept. Zum anderen ist der eigentliche Bestandteil des Unternehmensservices die Kooperation mit den Bezirken, die Bedenken hatten. Die wurden jetzt ausgeräumt: Ab September soll der Service für alle Unternehmen zur Verfügung stehen.

Gerade die IBB muss in Krisenzeiten den Unternehmen fördernd unter die Arme greifen. Ausgerechnet der neue IBB-Chef aber hat mit dem Förderbankgeschäft bisher noch nie etwas zu tun gehabt. Warum ist er für diese Position geeignet?


Zwar kommt er nicht aus dem Förderbankgeschäft, aber er hat eine hohe Expertise aus dem allgemeinen Bankgeschäft, die die IBB gerade in Krisenzeiten braucht. Für das Fördergeschäft ist die IBB gut aufgestellt. Aber die Bank soll nicht nur öffentliche Mittel durchleiten, sondern sich auch als Bank refinanzieren. Da brauchen Sie Erfahrungen, wie Ulrich Kissing sie mitbringt.

Sie sind ein Verfechter der staatlichen Hoheit über die öffentliche Daseinsvorsorge, also Gas, Wasser, Strom. Soll Berlin Wasseranteile zurückkaufen oder den Vattenfall-Anteil an der Gasag kaufen?

Ich halte das Thema für zu wichtig, um da mit Schnellschüssen zu agieren. Es gibt Ansätze eines Verbundes von Stadtwerken, der dabei ist, sich auf dem Markt einzubringen und nicht nur an Rendite und Shareholder Value orientiert ist. Dies ist auch eine für Berlin interessante Entwicklung.

Sie wollen als Staat bei einst privatisierten Unternehmen wieder einsteigen?

Die stärkere Ausrichtung derartiger Unternehmen an kommunalen Interessen, dass sie sich stärker als städtische Versorger verstehen, halte ich für notwendig.

Also werden Sie einen Einstieg des Landes bei der Gasag positiv prüfen.

Das Thema ist umfassender, als dass man es mit einem einfachen Anteilsrückkauf beantworten könnte.

Sie sind jetzt sieben Jahre im Amt, deutlich länger als Ihr Amtsvorgänger Gregor Gysi.

Und deutlich länger als alle meine Amtsvorgänger seit 1990.

Was machen Sie denn besser als Gysi?

Länger bleiben – damit konnte und kann ich auch mehr und nachhaltig verändern.

Das Gespräch führten Sabine Beikler und Lars von Törne.

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