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Berlin: Landesvorsitz der Berliner SPD: Verschlissen zwischen Flügelkämpfen und Wahlniederlagen

In der Berliner SPD hat Aufregung um den Landesvorsitz Tradition. Sie hat reichlich Parteichefs verschlissen.

In der Berliner SPD hat Aufregung um den Landesvorsitz Tradition. Sie hat reichlich Parteichefs verschlissen. In den letzten zwei Jahrzehnten waren es acht. Das hatte immer mit Wahlniederlagen, Flügelkämpfen und Animositäten zu tun. Jetzt ist Peter Strieder, der erst seit dem 27. Januar 1999 dran ist, derjenige, dem man den Garaus machen will. Strieder ist der 14. SPD-Vorsitzende seit 1945. Sein Stellvertreter Hermann Borghorst will unbedingt der 15. werden.

Die Partei kramte in ihrem Archiv. Der erste war 1945 Karl Germer. Er ist nicht mehr am Leben; als alter Herr trat er in den achtziger Jahren aus der Partei aus. 1946 wurde es Franz Neumann, der wortgewaltige Held im erfolgreichen Kampf gegen die Zwangsvereinigung mit der KPD zur SED. Dafür wurde er später Ehrenbürger. Franz Neumann war ein altlinker Antikommunist, der mit seiner "Keulenriege" die Partei dirigierte - immer feste gegen den bürgerlichen "Pfeifenclub" der Rechten. Selbst der überaus populäre Regierende Bürgermeister Ernst Reuter hütete sich, nach dem Parteivorsitz zu greifen. Willy Brandt schaffte es erst 1958, Franz Neumann zum Abdanken zu zwingen, und nicht etwa im ersten Anlauf.

Fünf Jahre blieb der Regierende Bürgermeister Brandt Landeschef. Dann legte er die Funktion in die Hände von Kurt Mattick, der von 1963 bis 1968 Sachwalter der Partei war. Er machte 1968 Klaus Schütz Platz. Brandt-Freund Schütz hielt am längsten durch, aber es waren turbulente neun Jahre. Die Auseinandersetzungen um die APO und die Ostpolitik führten zu heftigsten Flügelkämpfen, und dabei ging es bei Wahlen mit der SPD bergab. Nach seinem Sturz als Regierender Bürgermeister trat Schütz auch als Parteichef zurück. Für den Regierenden Dietrich Stobbe sprang zunächst der einflussreiche Senator Gerd Löffler für zwei Jahre als Platzhalter ein. Dann übernahm Stobbe 1979 den Parteivorsitz selbst. Doch die innerparteilichen Querelen hörten nicht auf. Und Stobbe wurde im Januar 1981 grausam wie kein anderer gestürzt, als ihm bei einer Senatsumbildung gleich mehrere Senatskandidaten im Parlament durchfielen.

Da schickte Bundesparteichef Willy Brandt seinen Bundesgeschäftsführer Peter Glotz, vormals Berliner Wissenschaftssenator, als Übergangsvorsitzenden. Glotz versuchte von Februar bis November 1981, die Partei als "Formateur" wieder auf Linie bringen. Inzwischen war sie in der Opposition. Nun musste der vormalige Senator Peter Ulrich den enervierenden Job machen; bis Juni 1985 hielt er das aus. Da setzte der damals starke Donnerstagskreis der Linken Jürgen Egert durch. Doch Egert war todkrank. Nun war ein junger Aufsteiger namens Walter Momper dran, der schon ein Jahr Fraktionschef war. Es ging wieder bergauf. Momper brachte es zum Regierenden Bürgermeister 1989/90. Aber nach der verlorenen Einheitswahl hielt er sich als SPD-Chef nur bis 1992. Die Partei servierte ihn ab, weil er sein Geld in der von Affären und Skandalen geschüttelten Baubranche verdiente. Immerhin war er sechs Jahre Parteichef.

Nun schlug die Stunde für Fraktionschef Ditmar Staffelt. Etliche hatten zwar Wolfgang Thierse gerufen, aber der bedankte sich nach einwöchiger Bedenkzeit für den Posten des "Frühstücksdirektors". Führung war nicht gefragt. Staffelt wurde bald zum Vorsitzenden "in Handfesseln". Als 1994 die damalige Senatorin Ingrid Stahmer ihre Bewerbung als Spitzenkandidatin bekanntgab, trat er als Landes- und Fraktionschef zurück, und so erbte Vize-Chef Detlef Dzembritzki den Parteivorsitz. Er wurde in Erinnerung an einen Fernseh-Talkmeister als "Onkel Lou" bespöttelt, harrte aber stoisch gut vier Jahre aus und stützte tapfer den Spar- und Modernisierungskurs von Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing. Dzembritzki setzte im Zweikampf Böger - Momper um die Spitzenkandidatur zur Wahl 1999 aufs falsche Pferd. Nach der Nominierung Mompers trat er zurück. Senator Strieder hatte schon ziemlich laut "Hier!" gerufen. Aber seit den Wahlen leckt sich die SPD ihre Wunden, und wieder einmal ertönt der Ruf: "Der Nächste bitte!"

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