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Landwehrkanal Schiffe

© Uwe Steinert

Landwehrkanal: Schrubben statt schippern

Der Landwehrkanal ist eine Woche gesperrt. Das Wasser- und Schifffahrtsamt hat jetzt aber Gesprächsbereitschaft signalisiert. Die Schiffer überbrücken die Wartezeit mit Saubermachen.

Torsten Beyer hat die Weltmeere durchfahren. „Zehn Jahre Handelsflotte, fünf Jahre Nord-Ostsee-Raum.“ Ein Seebär, 40 Jahre alt. Der gebürtige Rostocker wollte nicht mehr neun Monate am Stück auf See sein, kam nach Berlin. Und hier ist er nun gestrandet. Sein Schiff, die „Kreuzberg“, liegt an der Kette. Unter der Hansabrücke in Moabit, mit anderen Schiffen der Reederei Riedel, die mit anderen Reedereien den Landwehrkanal seit Freitag nicht mehr befahren darf. Am Ufer weht eine Fahne: „Wir zeigen Ihnen Berlins Wasseransichten“, steht darauf.

Schiffsführer Beyer, sonst in Reedereiuniform, schrubbt im Blaumann und in gelben Gummistiefeln das Deck. Immer wieder. Matrose Mario Merzky inspiziert den Maschinenraum des recht neuen Schiffs, auch das immer wieder. Und Decksmann Sebastian Hartmann, „das Mädchen für alles“, kontrolliert die weißen Flanken der „Kreuzberg“ vom kleinen Beiboot aus. Immer wieder. So gehen acht Stunden am Tag vorbei.

„Notbeschäftigung“, sagt Lutz Freise, Geschäftsführer der Reederei Riedel.

Allein bei Riedel geht es um über 100 Arbeitsplätze. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin (WSA) hatte den Kanal nach Streit mit Behörden und Naturschützern wegen drei gefällter Bäume gesperrt. Die Bäume sollten wegen Uferarbeiten weg, zunächst 200, nach erstem Abholzen schlug eine Initiative Alarm, jetzt will das Schifffahrtsamt 41 Bäume fällen. Auch darüber wird gestritten,die Reeder fürchten, dass sich die Ufersanierung ruinös in die Länge zieht. „Wir haben schon einen exorbitanten Schaden“, sagt Freise am Mittwoch, beziffert ihn auf bis zu 20 000 Euro.

So dümpeln zahlreiche Landwehrkanalschiffe tatenlos auf der Spree, allein drei von Riedel. Normalerweise hätte die Crew der „Kreuzberg“ drei Brückentouren über den Landwehrkanal am Tag. Mit maximal 290 Leuten an Bord. Ein volles Programm.

Die vier Leute von der Gastronomie sind „abgestiegen“, sagt Beyer. Die Gläser sind geputzt. Unter Deck liegen Speisekarten aus. Für wen? Die Stimmung ist gedrückt. Es könne nicht sein, dass wegen dreier Bäume tausende Fahrgäste nicht mehr transportiert werden dürften, meint der Schiffsführer. Wenn man die Leute alle mit dem Bus führe, „das wäre wirklich eine Umweltbelastung“.

Eine Lebensader der Branche ist gekappt. „Es kommt doch auch niemand auf die Idee, die ganze Avus zu sperren, nur weil an einer Stelle die Verkehrssicherheit gefährdet ist“, sagt Freise.

Nach tagelangem Schweigen hat sich auch das Wasser- und Schifffahrtsamt gemeldet. Es ist dem Bundesverkehrsministerium unterstellt.„Trotz umfangreicher Bemühungen“ habe der Landwehrkanal noch nicht wieder für den Schiffsverkehr freigegeben werden können, man wolle die „schnellstmögliche Freigabe“, und darüber gebe es intensive Gespräche. Das Wasser- und Schifffahrtsamt habe Verständnis für die Interessen und Sorgen der Anwohner. Am wichtigsten aber sei, die Sicherheit am Landwehrkanal zu gewährleisten. Im Sinne der betroffenen Reedereien wolle sich das Amt um eine schnelle, gemeinsame Lösung bemühen.

Ein kleiner runder Tisch soll heute zusammenkommen, das Bundesverkehrsministerium teilt mit, das Treffen gehe auf Anregung der Berliner Bundestagsabgeordneten Mechthild Rawert (SPD) zurück. Die Lage gilt als festgefahren. Einig sind sich Behörden, Baumschützer und Reeder nur darin, dass die Uferwände des alten Kanals saniert werden müssen.

Auf der „Kreuzberg“ wird also auch heute geputzt, das Deck geschrubbt, der Maschinenraum kontrolliert. Immer wieder. Nur gefahren wird nicht. So hat sich Käpt’n Beyer die Schifffahrt in Berlin nicht vorgestellt.

Christian van Lessen

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