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Berlin: Lange Haftstrafen für rechtsextreme Skinheads, die in Lichtenberg einen Arbeitslosen zu Tode quälten

Das Landgericht hat vier Skinheads, die im Oktober 1999 in Lichtenberg den arbeitslosen Kurt Sch. zu Tode gequält haben, drakonisch bestraft.

Von Frank Jansen

Das Landgericht hat vier Skinheads, die im Oktober 1999 in Lichtenberg den arbeitslosen Kurt Sch. zu Tode gequält haben, drakonisch bestraft. Die beiden jeweils 23 Jahre alten Täter Michael V. und Manuel S. wurden wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, ihre Kumpane Björn O. (17) und Carsten U. (18) erhielten acht beziehungsweise achteinhalb Jahre Jugendstrafe. "Die Tat hat albtraumhafte Züge", sagte der Vorsitzende Richter der 24. Großen Strafkammer, Kai Dieckmann, in der Urteilsbegründung. Es habe sich zwar nicht um ein rechtsradikales Delikt gehandelt, sagte Dieckmann. Doch der Richter verwies er auf die Gesinnung der Skinheads und den "engen Zusammenhang zwischen Rechtsradikalität und Gewaltbereitschaft". Die Angeklagten nahmen das Urteil emotionslos hin.

Mit den Strafen folgte die Kammer weitgehend den Anträgen von Staatsanwalt Dirk Klöpperpieper. Bei Carsten U. wurden sogar achteinhalb statt der geforderten acht Jahre Haft verhängt. Lebenslang war nicht möglich, weil im Jugendstrafrecht das Höchstmaß zehn Jahre beträgt. Der 18-jährige U. hatte sich bei der Misshandlung von Kurt Sch. in besonderer Weise hervorgetan. Als das bereits an einer Tankstelle von der Clique getretene Opfer zum angeblichen "Versöhnungstrunk" in einen Park gelockt wurde, nahm Carsten U. den 38-jährigen Mann in einen Würgegriff. Daraufhin traten die anderen Skins mit ihren Stahlkappenstiefeln zu. Manuel S. durchsuchte Kurt Sch. und raubte ihm elf Mark, Tabak und Zigarettenblättchen.

Die Schläger liessen dann von dem reglosen Opfer ab und begaben sich zur nahen Wohnung von Michael V. Dort wurde beschlossen, Sch. zu töten - um zu verhindern, dass er bei der Polizei noch hätte aussagen können. Wiederum wurde Carsten U. stärker aktiv als die Mittäter: Mit einem Messer stach er dem Arbeitslosen mehrmals in den Hals. Von den anderen Skins traten mindestens zwei erneut auf Sch. ein. Das Quartett konnte indes angesichts der Blutspuren, die zur Wohnung von Michael V. führten, dort kurz nach der Tat festgenommen werden.

Nach Ansicht von Richter Dieckmann hätte es schon vor dem Angriff auf Kurt Sch. Tote geben können. Die Clique war am Abend des 6. Oktober auf Randale aus und provozierte zunächst mit rechten Parolen vor einem von Punks besetzten Haus. Doch die Bewohner zeigten sich nicht. Anschließend wurde ein Radfahrer zu Boden gerissen, ein Passant erhielt Schläge mit einer Bierflasche, die zum Ärger der Skins nicht zersprang. Als sie an der Tankstelle auf Kurt Sch. trafen und dieser sie mit "Prost Kameraden" ansprach, war das erwünschte Prügelopfer gefunden.

Obwohl Richter Dieckmann die Verbindung von Rechtsextremismus und Gewaltbereitschaft erwähnt hatte, sprach er in der Urteilsbegründung auch von Ratlosigkeit: "Woher kommt die Bereitschaft dieser vier Angeklagten, in einem solchen menschenverachtenden Ausmaß Gewalt anzuwenden?" Zur Warnung an die etwa 30 Skins im Publikum betonte Dieckmann, dass die zu lebenslanger Haft verurteilten Michael V. und Manuel S. schon für Raub und Körperverletzung acht Jahre verdient hatten.

Unklar bleibt, ob die Angeklagten zum international agierenden Netzwerk "Hammer-Skins" gehören. Björn O. zeigte dem Tagesspiegel am vorletzten Verhandlungstag eine Narbe, die von einem Aufnahmeritual stammen soll. Ein hünenhafter Glatzkopf aus dem Publikum - "ich bin Nationalsozialist" - bestritt indes vehement, die Täter seien "Hammer-Skins". Wenn doch, wären sie in die Fänge einer fanatischen Organisation geraten: Allein die etwa 30 Mitglieder starke Berliner Sektion gebärdet sich in ihrer Publikation "Wehrt euch" noch brachialer als andere Skingruppen. In den Heften wimmelt es von Hakenkreuzen und Hassparolen. Bisweilen werden auch Artikel des Tagesspiegels nachgedruckt und szenetypisch kommentiert.

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